Ausdruck der Vergänglichkeit

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Manfred Chobot gab in Grasls Lyrik-Reihe die neuen Gedichte von Alois Vogel heraus.

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Manfred Chobot gab in Grasls Lyrik-Reihe die neuen Gedichte von Alois Vogel heraus.

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Alois Vogel hat die Siebzig längst überschritten. Sein von Manfred Chobot herausgegebener Lyrikband entspricht im besten Sinn diesem Lebensabschnitt. Schon der Titel "In Thanatos Gärten". Blühendes Leben und Tod. Diesem nämlich, dem Tod, gehören die Gärten, die ganze Herrlichkeit der Natur, mithin auch der Mensch, dessen Schicksal es ist, dem Gott der Finsternis zu eigen zu sein. Das tritt uns am Ende des Büchleins als letzte Weisheit und in 17 Silben noch einmal entgegen: "Aus dem Meer der Nacht / steigt der Tag meiner Augen / in das Meer der Nacht."

Es gibt kein Entrinnen. Kurz steht der Mensch im Licht seines Daseins, deshalb ruft der Dichter ihm zu, er möge das Leben genießen und sich "sattsehen" daran. Es wird ja einmal zum letzten Mal sein. Die täglich zu pflückende Freude hat Horaz als das "carpe diem" bezeichnet, und der Mensch befolgt diesen Rat, heute genauso wie in allen ihn bedrängenden Zeiten. Dieses barock anmutende Lebensgefühl des Genießens mag dem Charakter des Österreichers, besonders des Wieners, entsprechen.

Der Dichter stößt sich denn auch an den gewiß sehr großen Unstimmigkeiten unserer Zeit, die leidend und jammernd und manchmal auch wieder tapfer dahinlebt. Das unabänderlich Vergängliche, die vanitas schlechthin, hat freilich oft auch eine stoische Geisteshaltung bewirkt. Und wenn schon einmal jemand von Gott spricht, dann können das die anderen nicht glauben. "Doch alle," sagt Vogel, "beneiden ihn heimlich."

Es ist der Widerspruch und der Zweifel, der den Menschen bedrängt, wieder einmal oder noch immer, und Vogel sieht, wie Marc Aurel, die Freiheit, Gerechtigkeit und Erlösung erst nach dem Tod - wenngleich bedingt, da uns ja doch, wie der Dichter versichert, "vergönnt" ist, eine kleine Weile zu blühen. Die Zeitlosigkeit ist noch nicht erreicht. Oder wäre die Wiederkehr gar nur ein Einerlei, das nie zu Ende geht?

So erleben wir eine pantheistisch-immanentistische Weltsicht. Also doch keine wie immer geartet barocke. Es fehlt ihr ja der das irdische Leiden versöhnende "reine Bezug", wie Rilke ihn nennt. In den Gesprächen über Leben und Tod mag wohl im Zeichen des Dionysos berauschend Zuversichtliches sein, doch sieht man gleichzeitig Schatten aufsteigen, als Vorboten eben jenes Schattenreiches der Griechen, das dem der Finsternis der Moderne fast schon entgegengesetzt ist. "Die Götter" sind ja "verbannt".

Im Vollzug des Lebens aber als einzig großem Gesang steht schließlich noch einmal die Klage, in Form einer Ode. Sie ist der Abschied des Dichters von Qualen und Opfern und, trotz allem, die zaghaft brennende Sehnsucht nach ewiger Freiheit.

In Thanatos Gärten. Gedichte Von Alois Vogel (Lyrik aus Österreich, Bd. 72). Verlag Grasl, Baden bei Wien 1997, 64 Seiten, brosch., öS 90,-.

Erinnerung an glückliche Tage. Aus meinem Leben Von Agatha Christie. Verlag Scherz, Bern 1997, 224 Seiten, geb., öS 284,-.

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