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20 bis 30 Prozent der Lehrer leiden an Burnout-Syndromen.

Ein Mensch sagt - und ist stolz darauf - er geht in seinen Pflichten auf. Bald aber, nicht mehr ganz so munter, geht er in seinen Pflichten unter." Um die Situation vieler Lehrer zu schildern, zitiert Joachim Sauer vom Institut für Psychologie der Universität Salzburg mit Vorliebe Eugen Roth. Tatsächlich ereilt das im Gedicht skizzierte Schicksal allzu viele: Laut einer Studie Sauers leiden 20 bis 30 Prozent der Pädagogen an berufsbedingten Burnout-Syndromen.

Ein ähnliches Bild bot schon die groß angelegte Studie "LehrerIn 2000" des Bildungsministeriums. Rund sechs Prozent der Lehrerschaft wurden darin nach Arbeitszeit und körperlicher wie psychischer Verfassung befragt. Dabei gaben 21 Prozent psychische Beschwerden an, die mit der beruflichen Tätigkeit in Zusammenhang stehen. Auch Ilse Böning, Leiterin des Lehrerberatungszentrums (LBZ) Wien, zeichnet ein drastisches Bild vom Ausmaß der Lehrer mit Schulproblemen: "Aus meinen persönlichen Erfahrungen kann ich versichern, dass es einem Großteil der Lehrer sehr schleht geht."

Depressiv verstimmt

Burnout, das "beruflich-psychische Ausbrennen, mit der Betonung auf beruflich", äußert sich laut Sauer vor allem in (emotionaler) Erschöpfung, depressiven Verstimmungen, Schlafstörungen und verminderter Leistungsfähigkeit. Die Ursachen für diese Symptome sind vielfältig. So gaben in der Studie des Bildungsministeriums rund sechzig Prozent der Befragten als Hauptbelastung mangelnde Disziplin der Schüler an, nur 18 Prozent dagegen Probleme mit belastenden Elternkontakten. Beklagt wurde zudem das schlechte Berufsimage, die Lärmbelastung und hohe Schülerzahlen. Auch Ilse Böning bestätigt die zum Teil schwerwiegenden Probleme mit aggressiven Schülern und der allgemeinen Überlastung. Immer wieder komme es auch zu Mobbing seitens der Eltern, Schüler und Kollegen. In all diesen Fällen biete die Schulbehörde nur wenig Unterstützung, klagt Böning. Doch stehe der Wunsch nach Unterstützung durch die Behörden ohnehin erst an dritter Stelle - nach der Hilfe durch Kollegen oder Partner, räumt Joachim Sauer ein. Im Gegenteil: Meist werde behördliche Beratung als Kontrolle empfunden.

Einig sind sich die Experten, dass das Abschieben von Aufgaben der Gesellschaft und Familie die Lehrer zunehmend belastet. Generell stünden sie im Fadenkreuz verschiedenster Interessen. "Alle haben eine Auffassung davon, was ein Lehrer tun soll. Das einzulösen ist unmöglich", so Sauer.

Neben der gegenseitigen Unterstützung im Lehrerteam kann vor allem berufsbegleitende Supervision in Problemfällen helfen, wie sie etwa das Wiener Lehrerberatungszentrum anbietet. Der erste Schritt bei psychischen Problemen fällt freilich nicht leicht: Noch immer werde die Inanspruchnahme von professioneller Hilfe als Schwäche angesehen, weiß Sauer, selbst Lehrgangsleiter für Supervision. Eine solche Unterstützung müsste mit mindestens ein bis zwei Stunden im Monat als Teil der Arbeitszeit angerechnet werden. Doch was in anderen Sozialberufen eine Selbstverständlichkeit ist, scheint für Lehrer noch unmöglich.

Teure Frühpension

Ein Argument lässt der Wissenschafter jedenfalls nicht gelten: dass Supervision nicht finanzierbar sei. "Wir haben in einer Studie alle Kosten, die dem Staat jährlich durch Fehlzeiten, Frühpensionierung oder Therapien entstehen, hochgerechnet und sind auf etwa 22,5 Millionen Euro (310 Millionen Schilling) gekommen". Ein Vielfaches jener Kosten, die professionelle Supervision je ausmachen würde. In Wahrheit sei das Unterstützungsangebot für Lehrer hierzulande nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein. Das gibt auch der Präsident des steirischen Landesschulrats, Horst Lattinger, mehr oder minder zu: "In Österreich besteht zweifellos ein gewisser Handlungsbedarf."

Etwas Positives zeigt die hohe Burnout-Rate in jedem Fall, weiß Joachim Sauer: dass nämlich Österreichs Lehrer engagierter sind als vielfach angenommen: "Ausbrennen kann nur jemand, der vorher gebrannt hat!"

Informationen beim Lehrerberatungszentrum (LBZ), Obere Augartenstraße 26-28, 1020 Wien, unter (01) 330 14 27.

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