Ausgehöhlte Demokratie

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Um die Demokratie - global, kontinental und lokal - ist es nicht gut bestellt. Dabei sind auch die Medien, und die, die sie finanzieren, in die Pflicht zu nehmen.

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Um die Demokratie - global, kontinental und lokal - ist es nicht gut bestellt. Dabei sind auch die Medien, und die, die sie finanzieren, in die Pflicht zu nehmen.

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Bereits das TV-Duell zwischen Ronald Reagan und Walter Mondale im Jahr 1984 diente für Neil Postman als Anschauungsmaterial dafür, dass es nur um Unterhaltung geht - auch und gerade in der hohen Politik. Wie der "Führer der freien Welt" per Show ins Amt gebracht wird, stieß dem 2003 verstorbenen Kultur-und Medienkritiker sauer auf. Postmans galliger Befund trifft auch 32 Jahre später und nach den ersten Internet- und Social Media-Generationen den Nerv der Politik.

Gerade war das - diesmal weltweit in Echtzeit an ein beinahe Milliardenpublikum verbreitet - wieder mit Händen zu greifen: Was sich Hillary Clinton und Donald Trump lieferten, war mitnichten Politik, sondern der Showdown derselben. Vor allem in der Fratze des republikanischen Präsidentschaftskandidaten kulminiert das Elend, in das sich die demokratischen Systeme weltweit manövriert haben: Trump reüssierte bislang mit Rüpelhaftigkeit, Rassismus, Sexismus und allen möglichen Attitüden, die das Gegenteil eines zivilisierten Dialogs oder einer ernsthaften politischen Auseinandersetzung darstellen.

Mag sein, dass ihm Hillary Clinton in der ersten TV-Show ein wenig die Schneid abkaufen konnte. Aber die Erkenntnis, wie sehr es auch in einer immer fragileren Weltlage nur ums bessere Talent zum Entertainment geht, wurde da einmal mehr offenbar.

Ein inferiorer TV-Sender

Was in der großen Welt gilt, findet im kleinen Österreich seine Entsprechung. Auch hierzulande geht es weitgehend um unterhaltsame Kampfphrasen, mit denen Politik gemacht wird: Das Publikum soll durch die politischen Player dementsprechend erregt werden - ohne dass so etwas wie ein Diskurs stattfindet, der diesen Namen verdient.

Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, dann liefert diesen der rabiateste Boulevard-Rabauke des Landes seit Montag frei Haus: Wolfgang Fellner gesellt seinem Halbgratistagblatt Österreich nun auch den Ganzgratissender oe24.tv dazu. Nicht nur durch inferiore Bild-und Tonqualität besticht der erste "News"-Sender des Landes, sondern auch durch völlig sinnfreie "Kontroversen", wo sich eine Österreich-Chefredakteurin und die Society-Chefin des Blattes darüber befetzen, wer denn am Ehe-Aus von Brangelina schuld sei. Und das ist keineswegs unpolitisch. Denn auch politische Auseinandersetzungen können auf vergleichbarer Ebene abgeführt werden: Politik wird auf oe24.tv überall betrieben. Sogar der Trailer, der ein Interview mit Norbert Hofer ankündigt, ist suggestiv: Der blaue Kandidat werde den Öxit machen, die Grenzen schließen und die Regierung rauswerfen - so die Anmutung der Ankündigung.

Nachdenklichkeit um der Zukunft willen

Man muss die Rolle der Medien - global wie lokal - bei der aktuellen Aushöhlung der Demokratie thematisieren. Und auch jene in die Pflicht nehmen, die das bezahlen. Wolfgang Fellner brüstet sich, oe24.tv sei werbemäßig ausgebucht. Warum aber finanzieren seriöse Unternehmen solch einen Schmarrn? Die Wirtschaft hat da gleichermaßen gesellschaftliche Verantwortung. Denn auch sie benötigt rechtsstaatliche Rahmenbedingungen: Destabilisierung von Gesellschaft und Demokratie liegen nicht in ihrem Interesse.

Der deutsche TV-Philosoph Richard David Precht unterstellte in seiner jüngsten Sendung (ZDF/3sat), dem landläufigen Europäer ginge es vor allem um Konsum - jeder wolle weiter seinen Billigflug haben. Prechts Gesprächspartner, der deutsche Präsident des EU-Parlaments Martin Schulz, hielt dem entgegen, dass es sehr wohl politische Werthaltungen gebe, um die zu ringen und für die zu werben sei. Das Precht-Schulz-Gespräch war eine Sternstunde diskursiver Auseinandersetzung und ein Lehrbeispiel dafür, dass auch unter den vielgeschmähten Politikern tiefe und zukunftweisende Nachdenklichkeit vorhanden ist.

Bei Sudel-Kandidaten wie Donald Trump oder einem Sender-Machwerk wie dem obigen wird man diese vergeblich suchen.

otto.friedrich@furche.at

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