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Auf gut Österreichisch: Auch schon wurscht. Ein bisschen Gesudere zur heimischen Innenpolitik.

Man sollte Alfred Gusenbauer, um es in seiner Sprache zu sagen, aus seiner launigen Bemerkung über die Parlamentarier, die nach 16 Uhr angeblich nicht mehr arbeiten, keinen Strick drehen. Die fernab der Heimat getätigte Äußerung war vielleicht nicht ganz passend - aber die auf dem Fuß folgende Empörung der Betroffenen sagt mehr über diese selbst und den Zustand der österreichischen Innenpolitik aus als über den Kanzler. Man darf in diesem Zusammenhang auch an das Bonmot des früheren VP-Chefs und Wissenschaftsministers Erhard Busek erinnern, der einmal unterstellte, Freitag nachmittag seien unsere Universitäten "so zu wie die burgenländischen Maurer". Das war auch nicht nett (böse waren vor allem die burgenländischen Maurer, doch die haben weniger Möglichkeiten, sich öffentlichkeitswirksam zu wehren als Abgeordnete) - aber so ist das halt (manchmal) mit g'scheiten Leuten in der Politik.

Ganz im Ernst: Man darf und soll solche Sager durchaus zurückweisen, kritisieren - aber dass ihnen derart viel Aufmerksamkeit zuteil wird, zeigt, dass wir auf dem Weg zu einer medial gesteuerten Erregungsdemokratie schon beängstigend weit fortgeschritten sind. Sonst keine Sorgen?

Vielleicht aber trägt Alfred Gusenbauer doch auch selbst ein Stück weit Schuld daran, dass solche Peanuts dermaßen Beachtung finden: Das Fettnäpfchentreter-Image allein wäre nicht das Problem, existierte in der Öffentlichkeit nicht zugleich das Bild eines Kanzlers, dessen Amtsverständnis eher hedonistisch-intellektuell akzentuiert zu sein scheint, als dass es unbedingten politischen Gestaltungswillen vermuten ließe. Der Regierungschef gibt souverän den geselligen, klug parlierenden, weltläufigen Gastgeber der Republik - aber nicht ihren Erneuerer, der ihr den Weg in die Zukunft wiese. Auf den Federstrich gebracht hat das dieser Tage Altmeister Ironimus in der Presse: eine Grußkarte Gusenbauers von der Lateinamerikareise, die von bester Laune des Absenders zeugt, darauf wie beiläufig die Fragen gekritzelt: "Was macht die Steuer-Reform", "Was macht die Gesundheits-Reform", "Wie geht's eigentlich dem Molterer". Präziser und knapper kann man das Dilemma des Kanzlers nicht veranschaulichen (und es ist natürlich auch keine Blume für Molterer, nebenbei bemerkt). Diese Karikatur sollte sich Gusenbauer ausschneiden und über seinen Schreibtisch hängen - sie müsste ihm mehr zu denken geben, als die diversen Zwischenrufe von Ländergranden und Funktionären.

Gewiss, diese Regierung ist nicht die erste sein, die an einer wirklich umfassenden und nachhaltigen - also die Spitäler und damit die Länder einbeziehenden - Gesundheitsreform gescheitert sein wird. Alle wissen seit Jahren wenigstens im Prinzip, was zu tun wäre, wo die Sparpotenziale liegen. Selbst dem oberflächlichen Beobachter müssen die entsprechenden Schlagworte schon längst bekannt vorkommen. "Zum Kuckuck, dann mocht's es amol", rief weiland die SP-Gesundheitsministerin Christa Krammer aus - und das ist auch schon wieder ein paar Jahre her. Aber ist nicht diese Regierung, diese Große Koalition angetreten, um die wirklich großen Dinge auf Schienen zu bringen. Und was wäre ein größeres Ding in Österreich, als sich auch notfalls mit den Ländern anzulegen?

Um auf die Postkarte kurz zu replizieren: Die Gesundheitsreform "macht" also nicht viel - und die Steuerreform hat schon viel Streit gemacht und wird noch mehr "machen". Die neu aufgeflammte Privatisierungsdebatte gibt bereits einen scharfen Vorgeschmack.

Und - wenn es nicht mehr geht und die Regierung tatsächlich platzt? Nun, derzeit wird ja heftig über das "Aut idem"-Prinzip diskutiert: Gemeint ist damit eigentlich die Möglichkeit des Apothekers, statt eines vom Arzt verordneten Arzneimittels ein Generikum, also ein wirkstoffgleiches (aut idem = oder das Gleiche) aber preisgünstigeres Präparat an den Patienten abzugeben. In Analogie dazu gilt das Prinzip indes für die heimische Politik als solche: Oder aber das Gleiche - Neuwahlen, die wiederum eine Große Koalition hervorbringen. Genau deswegen dürften sich auch die handelnden Personen eine nochmals andere, sehr österreichische Lesart von "Aut idem" zur Maxime erkoren haben: Auch schon wurscht.

rudolf.mitloehner@furche.at

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