Autoren und ihre Diener

Werbung
Werbung
Werbung

Der Regietheater-Schelte von Daniel Kehlmann bei der Eröffnung der Salzburger Festspiele folgt in der NZZ eine Kehlmann-Schelte.

Dieses Jahr ist Daniel Kehlmann, der mit seinem Roman „Die Vermessung der Welt“ (2005) einen Weltbestseller gelandet hat, „Dichter zu Gast“ bei den Salzburger Festspielen und hielt dort die Eröffnungsrede. Seither rauscht der feuilletonistische Blätterwald. Denn es ging in jener Rede (welche Der Kurier und die FAZ abdruckten) um das sogenannte Regietheater, ein Gespenst, das alle paar Jahre auftaucht und es jedes Mal schafft, für Erregung zu sorgen. Wer meint, das Theater sei tot, sieht sich bei solcher Gelegenheit – auch jetzt wieder – eines Besseren belehrt.

Unterdessen hat sich der Festredner erneut zu Wort gemeldet in einem Interview mit dem Spiegel (3. August). Er zählt defensiv illustre Persönlichkeiten auf, die ihm in der Kontroverse beigesprungen seien, fügt aber nichts substanziell Klärendes an. Dabei ist die Crux seiner Rede weniger die Polemik gegen „das Regietheater“ – jedermann darf seine Meinung äussern – als vielmehr der völlig schwammige Umgang mit diesem problematischen Begriff oder Reizwort, auf das sich Buhrufer und Applaudierende nun stürzen wie gereizte Kampfstiere auf das rote Tuch. […]

Am Stammtisch gegen die „Linken“ poltern

Aber es bringt nichts, Punkt für Punkt auf Kehlmanns Laudatio temporis acti einzugehen. Obwohl sie eitle Töne nicht scheut, gemahnt sie von der Argumentation her eher an einen Stammtisch, auf den Kehlmann unter Gleichgesinnten seine gegen die „Linken“ erhobene Faust gern poltern lässt.

Zu jedem „Argument“ fielen einem x Gegenargumente ein. Hoffnungslos. Lange Passagen wiederum besingen in suggestiven Sätzen das, was das Theater kann und – sogar heute! – manchmal tut: „Etwas, das jeden Abend passiert, passiert gerade in dem Moment zum ersten Mal und nie wieder genau so; es wird Gegenwart und ist doch pure Wiederholung; Figuren stehen vor uns und tun es doch nicht, so dass wir Zeugen sind bei einem Ereignis, das nicht wirklich geschieht, und zwar in einer Spontaneität, wie sie nur nach langem Proben möglich wird.“ Schön gesagt, aber derart allgemein, dass es kaum in Zusammenhang zu bringen ist mit der Frage, „ob man Schiller in historischen Kostümen oder besser mit den inzwischen schon altbewährten Zutaten der sogenannten Aktualisierung aufführen solle“, wie laut Kehlmann die in der Theaterdiskussion „am stärksten mit Ideologie befrachtete Frage überhaupt“ lautet. (Stimmt die Behauptung?) […]

Polemik gegen die Theaterkritik

Schliesslich: der „Diener des Autors“. Es gibt sowohl gute und schlechte Autoren als auch gute und schlechte Diener, ganz abgesehen davon, dass zu eruieren wäre, was der Diener eines Autors im Detail zu tun hätte. Ein weites Feld, das der Salzburger Festredner aber gar nicht konkret beackert. Genau gesehen polemisierte Kehlmann … ohnehin mehr gegen die Kritik als gegen das – für ihn, der den Ausdruck ahistorisch verwendet – unheilvolle Regietheater. Denn die Theaterkritik ist es, welche … modischen Tendenzen unterliegt, sie fördert und verbreitet, ihnen zu Subventionen verhilft und damit zu Verbreitung und Durchschlagskraft.

Diese Prozesse aber wären ein Thema für sich. Wobei es sich vielleicht bald in Luft auflöst – mit der Krise der Presse verliert auch die Theaterkritik an Gewicht. Andere Formen der Auseinandersetzung mit dem Bühnengeschehen machen ihr bereits Konkurrenz. Zum Beispiel das Chat-Forum des Webportals „nachtkritik.de“, wo das Publikum selbst sich äussert zu aktuellen Inszenierungen – oder zu Debatten wie derjenigen, die ausgelöst worden ist durch Kehlmanns Rede.

* „Neue Zürcher Zeitung“, 7. August 2009

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung