Christo Floating Piers - © Foto: Wikimedia Commons / Cosa2244

Christo zeigt "Floating Piers" auf dem Lago d'Iseo

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Barfuß und verzaubert auf dem Wasser wandern: Beeindruckend präsentieren sich Christos goldene Stege auf dem grünen Lago d'Iseo. Ein Buch und eine Schau in Brescia trösten, wer "Floating Piers" nicht sehen kann.

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Barfuß und verzaubert auf dem Wasser wandern: Beeindruckend präsentieren sich Christos goldene Stege auf dem grünen Lago d'Iseo. Ein Buch und eine Schau in Brescia trösten, wer "Floating Piers" nicht sehen kann.

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Das Flugzeug nach Bergamo ist bis zum letzten Platz gefüllt, fast alle wollen auf Christos "Floating Piers", den "schwebenden Stegen", wandeln. Barfuß soll man darauf gehen, rät Christo bei der Öffnung der Stege am 18. Juni und schwärmt von deren goldenen Glanz im Sonnenschein. Er hat recht, kurz vor der Landung erblicken wir die insgesamt drei Kilometer langen orange-gelb-goldenen "Floating Piers" auf dem tiefgrünen, von Bergen umrahmten Lago d'Iseo. Große Vorfreude stellt sich ein.

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Vorbildlich organisiert

Der Andrang ist riesig, die Piers sind nur per Shuttle-Bus oder Zug erreichbar, Ende Juni streikt die Bahn. Unbedingt sofort Parkplatz und Buskarten sichern, ermahnt die freundliche Dame vom Touristenbüro. Dank einer hilfreichen Bibliothekarin halten wir nach einer knappen Stunde den Schlüssel zu Christos "Piers" in der Hand: Shuttle-Buskarten für Samstagmittag, Abfahrt am Parkplatz eines Einkaufszentrums.

Mit Verspätung erreichen wir gegen halb zwei Sulzano. Wir kaufen Wasser und eine Jause zu normalen Preisen bei erstaunlich entspannten Verkäufern und stellen uns in die Schlange vor dem rosa Rathaus Sulzanos, vor dem nie zuvor und nie danach so viele Menschen gestanden haben und werden. Die Organisation ist vorbildlich.

Ein Meer von Regenschirmen schützt vor der Sonne. Trotz europäischer Turbulenzen, Hitze, gedrängtem Stehen ist ein allgemeines Hochgefühl spürbar, die Gewissheit, bald etwas ganz Besonderes zu erleben. Erst kurz vor Einlass beginnen einige zu drängeln.

Christo und Jeanne-Claudes Kunst ist im Geist der frühen 1960er-Jahre verwurzelt, so Germano Celant, der Leiter des Projekts, ein mit Christo befreundeter italienischer Kurator. In dieser Zeit nahm die Kunst neuartige Formen an, oft bewusst außerhalb der elitären Museums- und Galerienmauern im öffentlichen Raum und zeitlich begrenzt. Schon 1961 verpackten Christo und Jeanne-Claude einen Stapel Ölfässer in einem Kölner Hafen, drei Jahre zuvor hatten sich die beiden in Paris getroffen. Wenig später hinterließen sie Spuren in Italien: 1968 umhüllten sie einen Brunnen und einen mittelalterlichen Turm in Spoleto, 1970 Denkmäler in Mailand und 1973 einen Teil der römischen Stadtmauer.

Wie der wunderbare, pünktlich erschienene Band "Floating Piers" zeigt, stammt die Idee zu dem Projekt aus 1969, als Christo und Jeanne-Claude einen 2000 Meter langen aufblasbaren Steg für den Rio del Plata in Buenos Aires entwarfen, 1996 entwarfen sie Ähnliches für die Bucht von Tokyo - beides wurde nie realisiert.

2009 verstarb Jeanne-Claude. Frustriert von zwei schwer machbaren Projekten, besann Christo sich 2014 der "Floating Piers". Im April fanden er und der Fotograf Wolfgang Volz den idealen Ort dafür: Lago d'Iseo. Wie erstaunlich schnell dann alles ging, erläutert das Buch "Floating Piers", das neben technischen Entwürfen auch tolle Fotos zur Entstehung enthält. Die lokalen Behörden waren rasch überzeugt, denn das Projekt wird rein durch den Verkauf von vorbereitenden Kunstwerken Christos ohne öffentliche Gelder finanziert.

Freudig, glücklich, entspannt

Als einige Wolken die Sonne verhüllen und es nicht mehr zu heiß ist, um endlich auf dem wunderbar weichen Stoff barfuß zu gehen, erzählt die Kunsthistorikerin Diana DePardo-Minsky, die mit mir zu den Piers gekommen ist, dass es seit dem 16. Jahrhundert jedes Jahr Ende Juli etwas Ähnliches in Venedig gibt: Zu Ehren von Christus dem Erlöser wandelt der Patriarch von Venedig, gefolgt von Pilgern, auf einem auf Booten ruhenden Holzsteg und feiert so die Verbindung der Stadt mit dem Meer. Der Lago d'Iseo stand lange Zeit unter venezianischer Herrschaft .

Mit den Piers ist Christo ein Meisterwerk gelungen, das Gehen auf den von Wellen mitunter stark schwankenden Stegen macht einfach glücklich und erweitert den Horizont. Trotz der ungeheuren Masse von Menschen (laut Medienberichten 95.000 allein am Samstag) war die Atmosphäre freudig und entspannt. Wer es bis zum 3. Juli nicht zum Lago d'Iseo schafft, seien das Buch und die Ausstellung "Christo und Jeanne-Claude, Waterworks" im Museo di Santa Giulia in Brescia empfohlen.

Buch

The Floating Piers

Von Christo und Jeanne-Claude
Fotos: Wolfgang Volz
Taschen 2016
128 S., geb. € 20,60

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