Bauen für die Menschen - nicht für die Moden

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Er galt als Pionier - und gern als "unmodern": Als andere noch dem Wohnen im Hochhaus huldigten, sah Roland Rainer bereits die Nachteile dieses Konzepts - die allwöchentliche Flucht der Bewohner aus der Betonhölle in ihre Zweitwohnungen auf dem Land. Demgegenüber realisierte Rainer seine Idee eines humanen Wohnens im verdichteten Flachbau - und schuf mit der Gartenstadt Puchenau (Oberösterreich) ab 1962 ein Paradebeispiel für umweltfreundliche Wohnqualität.

Die am Menschen orientierte Lösung der "Behausungsfrage" (so auch der Titel seines 1947 erschienenen Buches) war Rainer stets ein besonderes Anliegen: "Meines Erachtens gibt es überhaupt kein falscheres Prinzip, als dort, wo Lärm ist und der Gestank der Abgase, Wohnungen zu bauen", lautete das Credo des Doyens der österreichischen Architektur, der vergangenen Samstag im Alter von 93 Jahren verstorben ist.

Am 1. Mai 1910 in Klagenfurt geboren, unterrichtete Rainer unter anderem an der Technischen Hochschule Graz und bis 1980 an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Er habe die nachfolgenden Generationen gelehrt, "Haltung zu bewahren und nicht jeden modischen Schnick-Schnack, angefangen bei der Postmoderne, mitzumachen", erinnert sich etwa Gustav Peichl.

Dass Rainers Architektur nicht auf vordergründig Spektakuläres angelegt, sondern von funktionalen Gedanken durchzogen ist, zeigen auch seine bekanntesten Bauwerke: das ORF-Zentrum am Küniglberg und vor allem die Wiener Stadthalle. Als Rainer - von 1958 bis 1963 Wiener Stadtplaner - die Halle konzipierte, galt es eine zentrale Fragestellung zu lösen: Wie ist es möglich, ein multifunktionales Gebäude für bis zu 20.000 Menschen zu bauen, in der alle in gleichem Maß an Veranstaltungen teilhaben können? Und wie wird diese Halle nicht zu einem betriebswirtshaftlichen Fiasko, weil sie durch zu viel Raumfülle nicht klimatisierbar ist? Rainers Lösung war eine für die späten 50er Jahre wegweisende Dachkonstruktion, bei der eine riesige Fläche von 100 mal 100 Metern nicht mit einer Kuppel, sondern einer innovativen Hängekonstruktion überspannt wurde. Über das begehbare Dach konnte der gesamte Hallenraum mit Beleuchtung und anderen technischen Elementen bedient werden. Wenige Jahre später erfuhr diese funktionale Verschmelzung von Tribünen und Dachkonstruktion bei der Stadthalle in Bremen eine mehr als kühne Ausformung.

Auch wenn Roland Rainer längst als "einer der wichtigsten Architekten und Denker in Sachen Architektur nach 1945" (Gustav Peichl) erkannt wurde, so wirft doch eine kleine Episode ein bezeichnendes Licht auf den Umgang mit Design Made in Austria: 60 von 140 Kleiderständern, die Rainer 1956 für die Stadthalle entworfen hatte, wurden im Jahr 2001 im letzten Moment vor der Verschrottung gerettet. Zwei Jahre später betrug der Schätzwert der Garderoben bei Sotheby's in London zwischen 3.000 und 4.000 Pfund. DH/APA

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