Baumeister für Tote, Hoffnungsträger für Lebende

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Bogdan Bogdanovic´ ist vor allem Architekt, aber nirgendwo auf der Welt steht ein Gebäude von ihm, das man bewundern könnte. Er hat an der Universität Belgrad Städtebau gelehrt, aber nie eine Siedlung oder einen Stadtteil errichtet. Für ihn ist die Stadt, was er in vielen Büchern und in seiner eigenen Schule, nach altgriechischer Art in einem Dorf nahe von Belgrad gelegen, versucht hat zu erklären, nicht nur ein architektonischer, sondern ein kultureller und moralischer, ein mythischer und symbolträchtiger Begriff. Sein Schicksal war, nicht für lebende sondern für tote Menschen zu bauen. Und zu schreiben. Viele seiner Konzeptionen hat er nicht in Stahl, Glas, Beton, Marmor, Ziegelsteinen und Holz, sondern in Büchern verwirklicht.

Bogdanovic´ hat über zwanzig Denkmäler und Gedenkstätten gebaut. Die meisten sind in den Kriegen, die Jugoslawien vernicht haben, zerstört worden. Das schönste und erschütterndste blieb erhalten: die wunderbare, hoffnungsspendende, riesige Blume, die das Gelände des Konzentrationslagers Jasenovac´ überschattet.

"Heute fühle ich mich als ein besiegter Mensch", so Bogdanovic´ in einem Interview, "aber eine Niederlage der Kultur ist mehr wert, als ein barbarischer Sieg."

Ich habe Bogdan nie eine andere Frage gestellt: nämlich, ob er ein glücklicher Mensch sei. Jedenfalls ist er auch im hohen Alter stets ein gut gelaunter, witziger, heiterer, unterhaltsamer Mensch.

Bogdans Vater, Milan Bogdanovic´ (1892-1964), war ein bedeutender serbischer Buchkritiker, Herausgeber von Zeitschriften, Intendant des Belgrader Nationaltheaters, ein Epikureer, was Bogdan gar nicht ist. Bogdan erzählte mir, nach seinem Abitur habe ihn der Papa zum Mittagessen eingeladen, lange mit dem Kellner verhandelt, was es Besonderes gäbe, und als er endlich den Filius fragte, was er gerne hätte, lautete die Antwort: "Ein Wienerschnitzel!" Als der Ober weg war, sagte der verärgerte Vater: "Wie konntest du mich so blamieren!"

In einem Augenblick Jugoslawiens und Serbiens, als Hoffnung für die Entwicklung und Zukunft aufkeimte, von 1982 bis 1986, war Bogdan Bogdanovic´ Oberbürgermeister von Belgrad. Er hat nichts erreicht, denn neben ihm wirkte als eigentliche Macht der Parteisekretär der Stadt, Slobodan Miloševic´. Bogdan freut sich gar nicht, dass Miloševic´ und er dazu verflucht waren, eine Zusammenarbeit zu versuchen. Klar, wer unterliegen musste. Bogdan war für solche Kämpfe nicht geschaffen. Er hat aber als einer der ersten erkannt, was für ein Schrecken von diesem Mann ausgehen würde und die Konsequenzen gezogen.

Bogdans hoffentlich nicht letztes, sondern jüngstes Buch, erschienen dieses Jahr bei Zsolnay in Wien, heißt Die grüne Schachtel. In seiner persönlichen Widmung für mich, geschmückt mit seinen charakteristrischen kleinen Zeichnungen, nannte es Bogdan eine "Fibel esoterischer Weisheiten". Ich habe es in der Eisenbahn zwischen Wien und Belgrad gelesen und begeistert sofort einige Verse hineingeschrieben, die ich als Gratulation zum Geburtstag hier zum ersten Mal veröffentlichen möchte:

Bogdans grüne Schachtel

Seltsame Gestalten, / die neuen und die alten, / walten und halten / dich wach auch im Traum, / doch was sie dir geben / für dein wahres Leben / ohne zu erbeben / fühlst du es kaum.

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