Bei solchen Gegnern ist leicht siegen

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Tony Blair habe kein "göttliches Recht auf das Regierungsamt", wettert die Presse. Was fehlt, ist aber eine Opposition, die dem Premier sein Amt streitig macht.

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Tony Blair habe kein "göttliches Recht auf das Regierungsamt", wettert die Presse. Was fehlt, ist aber eine Opposition, die dem Premier sein Amt streitig macht.

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Die Umfragen vor der Wahl am 7. Juni zeigten Tony Blairs Labour Party uneinholbar in Front, ja die Regierung konnte ihren Vorsprung noch ausbauen. Experten sagen daher einen Labour-Sieg voraus, der möglicherweise noch den Erdrutschsieg von 1997 übertreffen könnte. Die sieggewohnte Mannschaft um Blair hat sich damit seit der Herbstdelle infolge der massiv gestiegenen Ölpreise wieder bestens erholt, auch die Maul- und Klauenseuche hat das Ansehen der Regierung kaum beschädigt.

Bemerkenswert ist, dass die "großen Themen" die Tony Blair 1997 vorgab und mit denen er ein "New Britain" bauen wollte, auch diesmal wieder ganz oben auf der Agenda stehen, denn in zentralen Bereichen der Wahlplattform 97 ist - das beklagen auch Labour-freundliche Stimmen - kaum etwas weitergegangen. Das nationale Gesundheitssystem, das Schul- und Erziehungswesen sowie das Verkehrswesen sind Problemherde, die in den letzten Jahren eher größer geworden sind.

Wie erklärt es sich, dass eine Regierung, die derartig offenkundige Versäumnisse eingestehen muss, dennoch die Opposition haushoch abhängen kann? Der Grund liegt - neben der charismatischen Persönlichkeit Blairs und einer guten Wirtschaftspolitik - vor allem in der katastrophalen Schwäche einer nahezu marginalisierten Opposition. Die Konservativen, die mit Margaret Thatcher und John Major 18 Jahre regierten, haben heute keinen Frontmann, der nur annähernd die Wähler begeistern könnte, schlimmer noch: in aktuellen Umfrageergebnissen hält jeder Zweite William Hague für eine Witzfigur. Und daran ist Hague - klein, schütteres blondes Haar, rundes Gesicht - auch ein wenig selbst schuld. Er ist zwar ein hervorragender Pointenschleuderer, der in Parlamentsdebatten den Premierminister regelmäßig an Mutterwitz und Schlagfertigkeit übertrifft (Medien und Öffentlichkeit klopfen sich lachend auf die Schenkel), aber wählen würden sie einen solchen Witzbold nicht, der noch dazu mit einem eher provinziellen Akzent spricht (Margaret Thatcher, die Ehrgeizige und Kompromisslose, hatte noch Sprachunterricht genommen um ihre Stimme weniger schrill und unangenehm tönen zu lassen - ganz ist es ihr ohnehin nicht gelungen).

Viel schlimmer noch wirkt, dass Hague nicht die Regierungs- und Wirtschaftskompetenz verkörpert, die einst die unangefochtene Domaine der Konservativen war. Die Rollen sind heute total vertauscht: aus der wirtschaftsfeindlichen und inkompetenten Labour Party, die von verantwortungslosen Gewerkschaften am Nasenring geführt wird, wurde unter Schatzkanzler Gordon Brown eine wirtschaftsfreundliche und kompetente Partei, die die thatcheristischen Rezepte weiter verwendet und dadurch für Wirtschaftswachstum bei niedriger Arbeitslosigkeit sorgt. Dem haben die Tories wenig entgegenzusetzen, außer unglaubwürdige Ankündigungen von Steuersenkungen, dem Ruf nach Law and Order und dem Schüren von fremden- und europafeindlichen Stimmungen. (Verzweifelt bemühte sich Hague das Pfund zum Wahlkampfthema zu machen, aber Labour verwies immer wieder auf das geplante Referendum über einen allfälligen Beitritt zum Euro). Die Konservativen haben sich mit ihrer Radikalopposition das Image einer stereotypen Neinsagerpartei erworben, Labour strahlt - bei allen Versäumnissen - mehr Kompetenz und Optimismus aus.

Presse prügelt Blair Die Regierungspartei hat in England nur eine ernstzunehmende Opposition, die aber am Wahltag nicht zur Diskussion steht: die britische Presse. Der englische Zeitungsmarkt - wohl der kompetitivste weltweit - ist bereitwillig in das oppositionelle Vakuum eingedrungen und prügelt die Regierung gnadenlos. Aber auch Zeitungszaren wie etwa Conrad Black oder Rupert Murdoch, die ihre Medien täglich gegen eine Regierung anschreiben lassen, die sich einbildet "ein göttliches Recht auf das Regierungsamt" zu haben mit einem Premier "der auf Wasser gehen kann" müssen kapitulieren. Gäbe es eine halbwegs ernstzunehmende Opposition, wäre dies eine fatale Konstellation für Blair, aber angesichts der Hilflosigkeit der Konservativen (und der praktischen Bedeutungslosigkeit der Liberal-Demokraten) kann Blair bis auf weiteres mit diesem Umfeld leben.

Das wird sich möglicherweise sehr bald nach den Wahlen ändern, denn niemand zweifelt daran, dass die Konservativen ihren glücklosen und ungeeigneten Vormann gegen eine attraktive Persönlichkeit eintauschen müssen, und die steht in der Person von Michael Portillo bereits in Warteposition. Der anerkannte Wirtschaftsfachmann mit bewegter Vergangenheit steht vor einem Comeback, und das wird auf jeden Fall Englands Innenpolitik wieder etwas spannender machen.

Aber auch Labour steht eine Personaldiskussion ins Haus. Blair wird einige abgenützte Gesichter gegen neue Namen ersetzen müssen, und der ehrgeizige und erfolgreiche Schatzkanzler Gordon Brown wird sich nicht auf Dauer mit der zweiten Geige zufriedengeben. Dies könnte Blair mehr Kraft kosten, als ein Wahlsieg gegen inferiore Gegner.

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