Beim Einkauf Müll vermeiden

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Abfallvermeidung, die Sinn macht, bedeutet durchaus nicht weniger Lebensqualität, wohl aber Bereitschaft, seine Konsumgewohnheiten zu ändern.

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Abfallvermeidung, die Sinn macht, bedeutet durchaus nicht weniger Lebensqualität, wohl aber Bereitschaft, seine Konsumgewohnheiten zu ändern.

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Appelle zur Müllvermeidung klingen manchmal übertrieben. Etwa wenn nur mehr jene ein gutes Gewissen haben dürfen, die selbst Getreide mahlen und Brot backen. Das ist, mit Verlaub, weder praktikabel noch notwendig.

Es geht nämlich auch anders: Mit Hilfe sinnvoller Vermeidungsstrategien kann man die Restmüll- und Altstoffmenge bequem um fünf bis 20 Prozent reduzieren, ohne auf den eigenen Lebensstandard verzichten zu müssen. Ganz nebenbei wirkt sich das auch meist positiv aufs Geldbörsl aus.

Nehmen wir das Beispiel der Pfandflaschen: Unzählige Studien und Ökobilanzen haben bewiesen, daß der Müllberg durch den Einsatz von Mehrwegflaschen wesentlich schrumpft. Je länger ein Produkt gebrauchsfähig ist, desto besser ist es ökologisch zu bewerten. Eine Mehrwegflasche aus Glas kann beispielsweise mehr als 50mal wiederbefüllt werden, ohne ihre Qualität einzubüßen. Sie ersetzt dadurch die Produktion und Entsorgung von rund 50 Einweggebinden gleichen Volumens.

Der Trend geht zur Zeit leider in die entgegengesetzte Richtung. Die Mehrwegflasche wird von Einweg-Kunststoffflaschen verdrängt. Was das für das Anwachsen des Müllberges bedeutet, liegt auf der Hand: Die derzeitige Müllmenge bei Einweg-Getränkeverpackungen beträgt immerhin schon 184.000 Tonnen jährlich, Tendenz stark steigend.

Die Einweg-Getränkeverpackungen haben Hochkonjunktur und sind aufs erste bequem und leicht. Doch die Alternative zur Einwegflasche ist nicht nur die gute alte (leider auch schwere) Glasflasche. Mittlerweile gibt es am Markt ebenso leichte Mehrweg-PET-Flaschen, die gleichwertige Ökobilanzen aufweisen und den Einweg-Flaschen (auch Glasflaschen) haushoch überlegen sind.

Nach einer heuer vom Umweltministerium in Auftrag gegebenen Studie beträgt zur Zeit das Verhältnis der Mehrweg- zur Einwegabfüllmenge 60 zu 40 Prozent. Dem gegenüber ergibt das Verhältnis der benötigten Packstoffe von Mehrweg- zu Einwegverpackungen 16 zu 84 Prozent. Dies bedeutet, daß beim Mehrwegsystem für rund 60 Prozent der in Summe abgefüllten Menge an Getränken nur 16 Prozent an Verpackungsabfällen anfallen. Daran wird die Bedeutung von Mehrwegsystemen zur Abfallvermeidung nicht nur bei Getränkeverpackungen ersichtlich.

Pro Baby eine Tonne Wegwerfwindeln Jedes Kind verursacht in einer Wickelphase mit Wegwerfwindeln rund eine Tonne Abfall. Um diesen Müllberg zu reduzieren, muß man nicht zu "steinzeitlichen" Maßnahmen wie dem Auskochen von Stoffwindeln greifen. Eltern können wählen, ob sie Windeln mieten, leasen oder kaufen und mit Waschdienst oder ohne nutzen wollen. Auch Systeme, die mitwachsen, also modulartig veränderbar sind, können verwendet werden.

Auf der Habenseite stehen mit dem Einsatz von Mehrwegwindeln finanzielle Ersparnisse von immerhin 15.000 bis 20.000 Schilling pro Kind. Manche Gemeinden und Abfallverbände fördern diese Mehrwegwindelsysteme darüber hinaus noch finanziell.

Auch die bei privaten Festen anfallenden Abfallmengen sind beträchtlich. Gründe dafür sind häufig der Gebrauch von Einweg-Geschirr, Einweg-Besteck und Einweg-Getränkeverpackungen, dazu Hüllen und Portionsverpackungen. Jedoch macht bei guter Organisation ein umweltverträgliches Fest weder mehr Arbeit, noch kostet es mehr. Natürlich - wenn Porzellangeschirr in der Ökobilanz deutlich besser als Wegwerfgeschirr abschneidet, bleibt bei großen Veranstaltungen das Problem: woher nehmen?

Hier bietet sich das Geschirrmobil an, das in vielen Städten Österreichs angeboten wird. Für eine Miete von 2.400 Schilling wird beispielsweise in Wien das Geschirrmobil samt Ausstattung und Abwaschpersonal an Festveranstalter vermietet (Info: 01/58817-96075). Bei mittelgroßen Festen ist es einfacher, nur das Geschirr auszuleihen - etwa bei Restaurants, Hotels, Kantinen, Brauereien, bei der Kirchgemeinde - und vorhandene Spüleinrichtungen in Schulen, bei der Gemeinde oder beim Gastgewerbe zu benutzen.

Vorrang für langlebige Produkte Um Abfälle zu vermeiden, gelten das "Green Design" und sogenannte LPN-Strategien als wegweisend. LPN heißt: Langzeitprodukte mit hoher Produktdauer und Nutzungsintensivierung. Konkret heißt das beispielsweise: Je länger die Gebrauchszeit einer Couch ist, umso kleiner wird die von ihr verursachte Umweltbelastung. Das bedeutet aber auch, schon beim Kauf qualitativ hochwertige Güter zu bevorzugen, die reparaturfähig gebaut sind und somit eine lange Lebensdauer haben.

Wer beispielsweise die eigenen Möbel wieder fit machen will, muß nicht unbedingt selbst Hand anlegen, sondern kann sich auch Unterstützung holen. Für Städte wie Wien, Linz, Klagenfurt oder Bundesländer wie Burgenland und Vorarlberg hat das Ökologie-Institut "Reparaturführer" erstellt, die alle Serviceleistungen von Tischlern, Tapezierern und anderen Gewerbetreibenden samt Öffnungszeiten und Reparaturdauer anführen. Diese Reparaturführer sind gratis bei den jeweiligen Verwaltungsbehörden erhältlich (in Wien: Misttelefon 01/546 48).

Wer also kaputte Möbel reparieren läßt und so deren Lebensdauer verlängert, vermeidet Abfall. In vielen Fällen ist ein neuer Anstrich für Tisch und Schrank ausreichend. "Aus Alt mach' Neu" ist hier die Devise.

Das gilt nicht nur im Einrichtungsbereich, sondern auch bei anderen Gebrauchsgegenständen. Hervorzuheben ist hierbei das R.U.S.Z. (Reparatur- und Servicezentrum, Info: 01/982 16 47) in Wien, das wieder instandgesetzte Haushalts-Elektrogeräte günstig anbietet und insbesondere während des Gewährleistungszeitraumes betreut. Außerdem werden alte Elektrogeräte wie Waschmaschinen oder Geschirrspüler zerlegt und damit ein Ersatzteillager für Reparaturen geschaffen. Als Anleitung zur Selbstreparatur werden nicht nur Reparatur-Selbsthilfekurse an den Volkshochschulen, sondern auch "Schaureparaturen" vor Ort angeboten.

Für einen sinnvollen Umgang mit Produkten ist aber nicht nur eine lange Lebensdauer wünschenswert. Wenig oder selten genutzte Produkte sollten erst gar nicht gekauft werden, wenn auch Verleihmöglichkeiten vorhanden sind. Viele Werkzeuge, Geräte zur Teppichreinigung oder Sportgeräte werden nur für wenige Stunden oder Tage eingesetzt.

Den größten Teil ihrer Lebenszeit stehen diese Produkte nutzlos herum. Daher gewinnt das Ausleihen immer mehr an Bedeutung. Durch den gemeinsamen Gebrauch von Sportgeräten sind bei gleicher Nutzung weniger Güter notwendig. Das erspart zusätzliche Umweltbelastungen.

Wer sich ein Gerät ausleiht, anstatt es selbst zu kaufen, hat zudem viele Vorteile: Neben Kostenersparnissen bringt es auch Platzersparnis zu Haus und die Möglichkeit, qualitativ höherwertige Güter zu nutzen.

Auf die Reparaturfähigkeit achten Vor allem High-Tech-Produkte wie Handys oder Computer sind in der Regel kurzlebig und schnell überholt. Sie kommen oft, obwohl nicht aufgebraucht und abgenutzt, frühzeitig vom Markt zurück, da das neue Modell mehr Funktionen hat oder schneller ist. Dies führt zu erheblichen Abfallströmen.

Mit diesem Umstand müssen wir - noch - leben. Immer mehr Produkte werden jedoch in "Green Design", das heißt in Modulbauweise, reparaturfähig und aufrüstbar produziert. Die höheren Anschaffungskosten gegenüber einem "Billigprodukt" werden durch die viel höhere Lebensdauer mehrfach kompensiert.

Die Österreicher sind in Sachen Aufwand für die Mülltrennung weltweit in der oberen Fleißigkeitsskala zu finden. Müllvermeidung ist jedoch ein höherrangiges, intelligenteres Konzept, das schon vor der Kaufentscheidung ansetzt. In einer Welt der Preisschlachten und Konsumentensteuerung ist das allerdings eine außergewöhnliche Herausforderung.

Die Autorin ist Expertin für Abfallwirtschaft am Österreichischen Ökologie-Institut.

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