Werbung
Werbung
Werbung

Beim Weltfamilientreffen in Valencia wartete der Papst einmal mehr mit Hoffnungstönen statt mit Kritik auf. Das bedeutet keineswegs, dass er von seinen Positionen nur einen Millimeter abrückt.

Die Welt war vollends mit Fußball beschäftigt, sodass es Papst Benedikts dritte Auslandsreise nach Valencia nicht an die Spitze der Meldungen schaffte. Auch das verheerende U-Bahn-Unglück in der spanischen Mittelmeerstadt tat einiges dazu, dass die öffentliche Aufmerksamkeit für die Themen des Weltfamilientreffens, zu dessen Abschluss der Papst angereist war, ein wenig gebremst schien.

Weltfamilientreffen profilierten sich bislang als Kundgebungen des traditionellen Familien-"Lagers" innerhalb der katholischen Kirche. Die Berichte aus Valencia zeigten in dieser Hinsicht nichts anderes. Das Familien-Thema subsumiert auch die ganze Palette der wirklich heißen Eisen, bei denen der traditionelle Katholizismus im Clinch mit vielen Auffassungen westlicher Gesellschaften liegt: Stellung der Frau, Sexualmoral, Empfängnisverhütung, Abtreibung, Reproduktionsmedizin, Stammzellenforschung, Scheidung, hetero-wie homosexuelle Lebensgemeinschaften - all das sind Ingredienzien für den aktuellen Kulturkampf, und gerade das Spanien der Regierung Rodríguez Zapatero eignete sich dafür: Dass der sozialistische Premier etwa die Schwulenehe ebenso einführte wie "Express"-Scheidungen, brachte die katholische Kirche tatsächlich in harschen Gegensatz zum politischen Kurs. Klare, harte Worte auch des Papstes waren da zu erwarten gewesen - in anderem Zusammenhang hatte Benedikt XVI. sich zu diesen Themen eindeutig geäußert.

Doch ein weiteres Mal lehrte Benedikt die Welt, dass die Konturen seines Pontifikats von der positiven Weitergabe der Botschaft bestimmt sind: Auch in Valencia stand nicht der erhobene Zeigefinger oder Kritik an den spanischen Zuständen, sondern das Werben um seine Argumente im Zentrum der Papst-Äußerungen. Man darf und soll das sympathisch finden: Nicht Joseph Ratzinger, "Gottes Rottweiler" (so die Londoner Sun nach der letztjährigen Papstwahl), sondern Benedikt, der Sanfte, der seine Botschaft mit Hoffnungstönen statt mit Zornesröte verbreitet, ist auf den Plan getreten.

Die werbende Predigt ist das eine, die Positionen Benedikts XVI. bleiben aber das andere: In der Sache bewegt sich auch dieser Papst keinen Millimeter weg von den bekannten Positionen. Er bekräftigt wie sein Vorgänger die Unverzichtbarkeit der Familie für die Gesellschaft, eine kritische Reflexion darüber, was unter "Familie" gemeint ist, findet weiter nicht statt. Im Gegenteil: In die freundlichen Worte ist einmal mehr Klage über relativistisches Freiheitsverständnis verpackt, aufgrund dessen man das soziale Leben nach subjektiven Wünschen gestalten wolle.

Natürlich müssen der Individualismus und die Bindungsangst in modernen Gesellschaften diskutiert werden. Aber mindestens ebenso erwartet man sich eine kirchliche Strategie, wie mit dem Scheitern gerade im Bereich der Familie menschenfreundlich umzugehen ist. Man erwartet sich Worte des Trostes und Zeichen der Barmherzigkeit gegenüber den Gescheiterten. Davon war auch aus Valencia nichts zu hören. Nur ein - ewig leidiger - Punkt: Für geschiedene Wiederverheiratete kennt Rom - im Gegensatz zu allen anderen Großkirchen - keine Barmherzigkeit. Dabei liegen auch bei diesem heißen Eisen die Vorschläge auf dem Tisch. Gleiches gilt für den Umgang mit homosexuellen Gemeinschaften. Auch hier lässt sich Rom auf keinerlei Auseinandersetzung ein.

Auch wenn sich der Papst nicht in die Niederungen der spanischen Tagespolitik ziehen ließ: Politisch ist sein Agieren dennoch. Man spürt das bis in die heimische Realität: Hierzulande ist ja auch ein Kulturkampferl im Gang, in dem die große Regierungspartei das abgeschlankte "Familienpaket" der Justizministerin verhindert: Die geplante neutrale Definition von Lebensgemeinschaft, aufgrund derer auch Homosexuelle ein paar Rechte erhalten würden, soll fallen. Lebensgemeinschaften zu forcieren bedeute, "unsolidarisches Verhalten zu begünstigen", jubelt Wiens Katholischer Familienverband über den VP-Widerstand gegen die Gastinger-Pläne.

Man wünscht sich einmal mehr eine kirchliche wie eine säkulare Diskussion um den Umgang mit Homosexuellen, der nicht von apodiktischen Positionen geprägt ist, sondern zumindest auch Barmherzigkeit in den Blick nimmt. Bis das geschieht muss aber offenbar noch viel Wasser die Donau - und noch mehr: den Tiber - hinunterfließen.

otto.friedrich@furche.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung