Berlin: Vom Schauplatz des Kalten Krieges zur Erlebnissstätte

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Wo einst Panzer standen, verkaufen heute Händler Souvenirs. Viele Touristen suchen nach Überresten des Kalten Krieges in Berlin, jedoch verkommt an vielen Orten Erinnerung zu einem kommerziellen Spektakel.

Die Mauer war ein Symbol der Teilung Deutschlands - heute ist sie bis auf ein paar Überreste aus dem Berliner Stadtbild getilgt. Der Betonwall war ein Schandmal der Geschichte und Ausdruck der Teilung der Welt in zwei Blöcke. Jetzt, 22 Jahre nach dem Mauerfall, hat Berlin seine Vergangenheit für Touristen hübsch gemacht und wirbt mit "Geschichte zum Anfassen“. Doch für viele Berliner verkommt die Stadt zu einer reinen Vergnügungsstätte.

50 Jahre nach dem Mauerbau herrscht am ehemaligen Checkpoint Charlie reger Betrieb. Touristen besuchen den ehemals bekanntesten Berliner Grenzübergang. Wo einander im Kalten Krieg Panzer gegenüber standen, wirbt heute ein Mann in einem Plüschwurst-Kostüm für das neue Currywurstmuseum um die Ecke. Fliegende Händler verkaufen Pelzmützen, Gasmasken und Flachmänner mit Lenin-Emblem. Der Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße verband den sowjetischen mit dem US-amerikanischen Sektor und damit den Ost-Berliner Bezirk Mitte mit dem West-Berliner Bezirk Kreuzberg. Heute kann man sich hier um ein paar Euro vor dem Kontrollhaus mit einem Soldaten-Darsteller ablichten lassen. An dem Punkt, wo mehr als 1200 DDR-Bürger als Diplomaten und Soldaten verkleidet in den Westen flüchteten beziehungsweise beim Versuch starben, steht heute ein Nachbau - das Original steht im Allierten-Museum im Westen Berlins. Nebenan befindet sich ein privates Mauermuseum, das besonders ausgefallene Fluchtfahrzeuge ausstellt und Mauerbrocken im Souvenirshop verkauft.

Gedenken für Erlebnishungrige

Das historische Erbe wurde in Berlin mit der erlebnisorientierten Industrie verbunden - Vergangenheitsbetrachtung einmal anders, lautet die Devise: An der Berliner Museumsinsel bietet das DDR-Museum die "DDR zum Anfassen“ an, und wer von Trabis und FKK genug hat, kann sich ein paar Straßenzüge weiter in der Stasi-Kneipe "zur Firma“ stärken.

Oftmals als "kommerziell“, "populistisch“ oder "romantisierend“ von den Einheimischen verpönt, ist diese Art von Geschichtserlebniskultur touristisch ziemlich erfolgreich und zieht vor allem die jüngere Generation in die Metropole. Bereits im vergangenen Jahr verdrängte Berlin mit 20,8 Millionen Übernachtungen Rom von Platz drei nach London und Paris als Tourismusmetropole. Auch jetzt zum 50. Jubiläum des Mauerbaus wird in der Stadt wieder um die Wette gedacht. Der Checkpoint Charlie, das DDR-Museum oder auch die East Side Gallery - ein 1,3 Kilometer langer künstlerisch gestalteter Mauerverlauf - sind mehr als nur Zeitzeugen der einstigen Teilung der Stadt - sie stehen für ein bedeutendes Stück europäischer Geschichte des 20. Jahrhunderts. Schließlich wird der Fall der Berliner Mauer auch als das Ende des Kalten Krieges angesehen. Berlin beziehungsweise Deutschland versucht mit dieser Geschichte angemessen umzugehen. Schlussendlich soll jetzt ein neues, aus öffentlicher Hand finanziertes, Mauerzentrum gebaut werden - direkt neben dem Checkpoint Charlie. Spätestens in acht Jahren, am 30. Jahrestag des Mauerfalls, soll es eröffnet werden und dem historischen Berlin endlich einen angemessenen Überbau geben.

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