Bernhards Beziehungshölle

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Das Landestheater Niederösterreich zeigt eine gelungene Aufführung von "Am Ziel", während es mit Schillers "Kabale und Liebe" gnadenlos scheitert.

Madame hat im roten Fauteuil Platz genommen und beginnt, umstellt von rostigen Eisenplatten, mit ihrer aggressiven Redeflut. Man ist auf die Bilanz eines gescheiterten Lebens gefasst. Und die wird bei Thomas Bernhards Am Ziel auch geboten. Die Witwe eines steinreichen Gusswerksbesitzers - ein Musterbeispiel Bernhard'scher Redetyrannei - hält in endlosen monologischen Erinnerungsspiralen Rückschau. Schnell wird deutlich, wie sehr die redesüchtige Protagonistin ihren verblichenen Partner verachtet und mit ihrem Redeschwall versucht, ihre Ekelgefühle loszuwerden.

Zum Zuhören verdammt ist die wenig beredte Tochter, die von der Mutter obendrein mit Befehlen schikaniert wird. Während die junge Frau die Koffer für die Abreise an die Nordsee packt, wird das ganze Elend dieser verkorksten Beziehung offenbar. Es enthüllen sich die Facetten eines Abhängigkeitsverhältnisses, das von Demütigungen, Zurechtweisungen und Unterwerfungsritualen geprägt ist. Wie eine Spinne im Netz beherrscht die Mutter ihr gefangenes Opfer, von dessen Lebenskraft sie sich nährt: "Du bist für mich, für mich ganz allein, mit Haut und Haaren." Erst der Eindringling, ein aufstrebender junger Theaterautor, von der Mutter eingeladen und von der Tochter mit schmachtenden Blicken bedacht, bringt Neues ins Spiel. Doch auch diese Ausbruchschance wird von der Mutter wohlüberlegt zunichte gemacht.

Diese Beziehungshölle wird von Regisseur Wolfgang Hübsch nicht mit tödlichem Ernst, sondern wunderbar leicht inszeniert. Souverän gelingen die Übergänge zwischen Komik und Tragik. Maresa Hörbiger gibt eine wunderbare Interpretation dieser Frau, in der auch nach einem verpfuschten Leben noch immer das Feuer eines Vulkans lodert. Neben ihr finden auch die beiden anderen Darsteller, Katrin Stuflesser und Matthias Franz Lühn, zu einer starken Leistung.

Nicht wirklich gelungen ist hingegen die Inszenierung von Schillers Kabale und Liebe. Zwar hat Regisseur Oliver Haffner eine interessante Idee: Er lässt den Großteil der Handlung in einem zweistöckigen Wohncontainer spielen. Veranschaulicht werden soll damit wohl der Absolutismus, gegen dessen Unterdrückung Schillers Stück ja ankämpft. Doch diese Idee wird nicht konsequent umgesetzt, denn Haffner verlegt einen Teil der Handlung vor den Container. Hier wird dann auf den Knien gerutscht, geschluchzt und geschrieen. In diesen heftigen Aktivitäten geht Schillers Sprache leider fast zur Gänze unter. Zudem mangelt es der Aufführung in manchen Bereichen auch an den geeigneten Darstellern. Antje Hochholdinger als Lady Milford ist ein hysterisches Bündel, aber keine intelligente Mätresse. Auch Charlott Kreiner in der Rolle der Luise vermag nicht zu überzeugen. Zufrieden sein kann man nur mit wenigen Akteuren, beispielsweise mit Helmut Wiesinger als Miller und mit Heinz Trixner als Manager-Präsident im grauen Flanell.

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