Beteiligung ist alternativlos

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Missstände und Missbrauch von Macht sind die Folgen, sobald das Volk vermeint, sich um die Demokratie nicht mehr kümmern zu müssen. Dabei sind es engagierte Bürger und Bewegungen, die Fehler beheben und Fortschritt auslösen.

Reingefallen: Die außerordentlich verdrießlichen und misslichen Zustände in den Strukturen des Landes verdanken wir der unzutreffenden Annahme zu vieler Bürger, ausgerechnet die Demokratie komme ohne Volk aus. Das ist ein Irrtum, ein fataler und ein teurer, wie sich zeigt.

Macht verdient auch in einer Demokratie volles Misstrauen jener, in deren Namen sie ausgeübt wird. Den vielen Spießbürgern im Geiste, denen die Befassung mit den politischen, im Grunde jedoch eigenen Angelegenheiten zu anstrengend ist, wird in Kärnten exemplarisch die Quittung serviert:

Die Finanzschuld des Landes hat sich laut Rechnungshof von 2005 bis 2010 auf 1,4 Milliarden Euro verdoppelt. Kärnten führt die Länder-Reihung in der Pro-Kopf-Verschuldung mit 2500 Euro (Tirol: 331 Euro). Auf jeden Einwohner entfallen Haftungen von 40.000 Euro (Nieder-österreich 7500 Euro). In Kärnten stiegen die Ausgaben jährlich um 4,6 Prozent, die Einnahmen nur um 3,7 Prozent. Das Fazit? Griechenland beginnt in Kärnten, und Kärnten ist, es stand an dieser Stelle, irgendwie überall!

Korrektur entsteht nur unter Druck

Wie also die Wende schaffen? Die Wende zu korrekten, nicht korrupten Politikern. Wie jene Personen auswechseln, welche die Öffentlichkeit so ausdauernd belügen, wie es etwa Jörg Haider und Josef Martinz in Honorarfragen taten? Die Patriotenrabatt sagten, aber Idiotenaufschlag meinten. Wie jene Gutachter aushebeln, die Millionen-Honorare sach- und sittenwidrig als angemessen taxieren? Wie kann der Wechsel gelingen vom gekauften hin zum kritisch-abwägenden Wähler?

Tauglichkeit der Systeme und Strukturen zeigt sich an deren Akzeptanz von Kritik und Fähigkeit zur Korrektur. Weil es der Politik an beidem mangelt - wie es die oftmals folgenlos bleibende Rechnungshof-Kritik belegt -, bedarf es stets eines zweifachen Kraftaktes, um Fehler und Missstände zu beheben: einer in den jeweiligen Strukturen verankerten, sachkundigen Person, die nach reiflicher Prüfung ihres Gewissens in einer letztlich gesetzeswidrigen Art Vorgänge und Umstände öffentlich macht. Die Beispiele dafür reichen - stellvertretend - vom FBI-Agenten Mark Felt (Watergate) über den EU-Beamten Paul van Buitenen (Korruption in der Kommission) bis zum Steuerberater Dietrich Birnbacher (Parteienfinanzierung in Kärnten). Und es bedarf weiters eines unabhängigen Journalismus und einer kritischen Öffentlichkeit, welche diese Themen aufgreifen und auf der Agenda halten. So, und nur so, wurden und werden Skandale aufgedeckt und abgestellt. Deswegen empfiehlt der Europarat, gesetzliche Regelungen für Whistle Blower zu schaffen, sprich, sie sanktionsfrei zu stellen. Es ist, in den Kategorien der Machthaber gedacht, nur schlüssig, dass dies bisher unterblieb. Doch auch politischer Fortschritt will erst durch Kraftakte errungen sein.

Bewegung von außen ändert die Politik

So war es in den letzten Dekaden eine kritische und engagierte Öffentlichkeit in Form der Frauen-, der Friedens- und der Umweltbewegung, die Regierungen und Parlamente zu Entscheidungen zwangen. Heute geht es um Transparenz der Abläufe, um Partizipation Betroffener, um Lösung großer Sachthemen. Wer sich politischem Bewusstsein und zumindest geringfügigem Engagement verweigert, vergeht sich an jenen Leben, die für die Demokratie geopfert wurden.

Im Verdruss und aus der Wut so mancher Bürger sind nun neue Methoden gesellschaftlich-politischer Organisation im Entstehen. Österreich spricht und Mein Österreich versammeln neue Ideen und neue Persönlichkeiten zu neuen Initiativen. Diese lassen sich nicht so rasch von stimmungsmachenden Medien verheizen und auch nicht von Parteien vereinnahmen. Versuche gibt es in beidem.

Demokratie bedeutet Engagement: Gegen die Käuflichkeit und die Trägheit weiter Teile des Volkes, gegen den Missbrauch von Macht und für sachlich fundierte Entscheidungen. Zu diesem Engagement gibt es keine Alternative, zumindest keine wünschenswerte.

claus.reitan@furche.at

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