Betrogene Gefühle in Salzburg

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Eine verwirrende Inszenierung von Frank Wedekinds "Lulu" zeigt das Landestheater Salzburg. Das Schauspielhaus Salzburg hingegen glänzte mit "Ungeduld des Herzens" von Stefan Zweig.

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Eine verwirrende Inszenierung von Frank Wedekinds "Lulu" zeigt das Landestheater Salzburg. Das Schauspielhaus Salzburg hingegen glänzte mit "Ungeduld des Herzens" von Stefan Zweig.

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Zur "Lulu" empfängt das Landestheater Salzburg seine Gäste bei offener Bühne. Zu sehen ist das Casino-Bild des zweiten Aktes, zu hören die Casino-Band und zu bewundern eine Sängerin von Temperament, Charme und Erotik - Franziska Becker als Gräfin Geschwitz. Sie bleibt auch in der Folge die Figur, die die Bühne beherrscht.

Diese "Lulu", von Frank Wedekind 1913 aus seinem "Erdgeist" und der "Büchse der Pandora" erarbeitet, bringt eine kriminell gefärbte Milieustudie der französischen Bohéme auf die Bühne: Lulu soll, mangels an Geld erpressbar, in ein Bordell verkauft werden, flieht und das Drama mit wechselnden Beziehungen und Betrügereien nimmt seinen Lauf - bis Lulu ihren Mörder findet.

Carl Philip von Maldeghem hat für seine Inszenierung mit Nikola Rudle eine schwankende Lulu gefunden, die als Mörderin des Dr. Schön von ihrem ehemaligen Liebhaber Casti-Piani erpresst wird; sie war ursprünglich mit dem Medizinalrat Dr. Goll verheiratet, im Atelier des Künstlers Schwarz kommt es zur Annäherung an Schwarz. Goll, der die beiden überrascht, erleidet einen tödlich endenden Schlaganfall. Lulu heiratet Schwarz und ist nebenbei Schöns Geliebte. Der wiederum will durch eine Heirat "bürgerlich" werden und Lulu verlassen. Schwarz erkennt, dass Lulu ihn betrogen hat und nimmt sich das Leben. Schön, ganz Lulu verfallen, wird von dieser gezwungen, seine Verlobung aufzulösen und sie zu heiraten. Doch diese Ehe, so sieht es Lulu, ist auch nichts Endgültiges, und sie betrügt Schön mit anderen Männern. Schön will Lulu zum Selbstmord zwingen und wird dabei von ihr getötet. Die in Lulu verliebte Gräfin Geschwitz befreit unter persönlichen Verlusten von Gesundheit und Vermögen Lulu aus dem Gefängnis. Lulu schließlich, in London gestrandet, bleibt nur der Straßenstrich, um Geld zu verdienen. Dort findet sie ihren Mörder.

Blass, gescheitert, unglücklich

In all diesen Szenen wirkt Lulu verloren, ein bemitleidenswertes, armes Geschöpf, im Grunde vollkommen einsam, das Opfer ihres Naturells und ihrer Emotionen. Leidenschaft? Nur scheinbar. Eine blasse, gescheiterte unglückliche Frau? Viel eher.

Auftrumpfend in Auftritt und Ausstrahlung die lesbische Geschwitz von Franziska Becker. Rodrigo, ein ehemaliger Liebhaber, ist dem zuverlässigen Hanno Waldner anvertraut, Georg Clementi gestaltet Casti-Piani und Schwarz, Christoph Wieschke den Schön, Axel Meinhardt Goll und Schigolch. Das Ganze wirkt etwas verwirrend mit dem vorgezogenen Casino-Akt und den Doppelbesetzungen, wenn man sich an den Ablauf des Stücks nicht mehr genau erinnert.

Etwas ganz anderes, aber im Grunde sehr Ähnliches, weil letztlich unheimliche Einsamkeit hochgespült wird, ist der von Thomas Jonigk dramatisierte Roman "Ungeduld des Herzens" von Stefan Zweig, eben abgespielt im Schauspielhaus.

Vom Besten

Es geht um die halb gelähmte Edith von Kekesfalva, die sich in den empathisch sich gerierenden Leutnant Hofmiller verliebt, ihn tyrannisiert und der nicht weiß, wie er von dieser Frau wieder loskommt, deren Diagnose "unheilbar" lautet und die ihr mitzuteilen Verwandte und Freunde nicht in der Lage sind. Die Hoffnung stirbt zuletzt - durch Selbstmord.

Das Stück wurde von einer Pause geteilt, wobei Regisseur Rudolf Frey die Spannung im ersten Teil überaus sorgfältig und höchst differenziert aufgebaut hatte. Dieser erste Teil -der zweite schien entbehrlich, da im ersten schon alles erzählt wurde - war etwas vom Besten in dieser Spielzeit am Schauspielhaus. Dies war in erster Linie Kristina Kahlert als halb gelähmter Edith und Matthias Hinz als Hofmiller zu danken. Dazu kamen Olaf Salzer als verzweifelter Vater Kekesfalva und Theo Helm als schwankender Doktor Condor. Ungeduld des Herzens: Was falsch verstandenes Mitleid und falsch gedeutetes Mitgefühl anrichten können, das wurde hier vorgeführt.

Lulu

Landestheater Salzburg 27. April, 9., 20. Mai, 2., 7. Juni

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