Bevor die Nazis kommen

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Faszinierende Staatsopernpremiere: "Arabella" von Richard Strauss im Kontext ihrer Entstehungszeit.

Teschek, bedien Dich!" Freunde der Strauss'schen Opern sollten zugreifen, wenn sich die Möglichkeit auftut, Arabella an der Wiener Staatsoper zu besuchen. Die jüngste Premiere nämlich hat fast alles, was des Liebhabers Herz höher schlagen lässt: Eine geschmeidige und subtile musikalische Umsetzung sowie eine Regie, die das Stück ebenso gekonnt wie behutsam aktualisiert. Folgerichtig wurden sowohl Dirigent Franz Welser-Möst als auch Regisseur Sven-Eric Bechtolf vom Premierenpublikum einhellig bejubelt. Allein von den Sängern reichen an diesem Abend nur zwei an das außergewöhnliche musikalische Niveau heran: Genia Kühmeier als zarttönende und innige Zdenka sowie Staatsoperndebütantin Daniela Fally als jodelnde Fiakermilli, die mit Stimm-und Körperakrobatik gleichermaßen beeindruckt.

Das musikhistorische Diktum, dass sich Richard Strauss seit dem Rosenkavalier wieder mehr an Mozart orientiert hat, nimmt Welser-Möst mit Bravour auf. Er schwelgt nicht im Klangrausch, sondern arbeitet die feine Lyrik der Partitur heraus. So klingen die ohnehin schon weit über jeglichem Tanzparkett schwebenden Walzer noch ätherischer als gewohnt. Welche Details das Staatsopernorchester - vulgo: Wiener Philharmoniker - zum Klingen bringt, ist erstaunlich: Im Orchestervorspiel des dritten Aktes vermeint man tatsächlich das leidenschaftliche Liebesspiel zwischen Zdenka und Matteo (Michael Schade) zu hören. Leider wird man dabei von Geschehnissen auf der Bühne abgelenkt - der einzige wirkliche Makel der Inszenierung.

Bechtolf hat Arabella vom Jahr 1860 in die Entstehungszeit des Werkes versetzt, in jene wilden Jahre, bevor der Faschismus nicht nur der Demokratie, sondern auch dem Hedonismus der Zwischenkriegszeit ein Ende machte. Es ist kein Zufall, dass das verlotterte gräfliche Paar Waldner (Wolfgang Bankl, Daniela Denschlag) im Hotel Metropol residiert, das später der Gestapo als Wiener Hauptquartier dienen sollte. Der Glanz und die Abgründe der "Roaring Twenties" spiegeln sich in Bühne, Kostümen (Rolf und Marianne Glittenberg) beziehungsweise den Figuren: Die Fiakermilli ist ein kesses Revuegirl, während der ungestüme Matteo schon erste Charakterzüge der kommenden Barbarei trägt. In dieser dekadenten Atmosphäre findet die wundersame Begegnung zwischen der selbstbewussten, mit Männerherzen spielenden Arabella (Adrianne Pieczonka) und dem naiven, von ursprünglichen Impulsen getriebenen ländlichen Gutsherren Mandryka (Thomas Hampson) statt - eine zeitlose Liebesgeschichte, die durch die Einbettung in einen spannenden historischen Kontext noch gewinnt.

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