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Otto Schenk als "Theatermacher" am Theater in der Josefstadt.

Wie ein Blitzschlag befreit Marianne Nentwichs Lachen aus der Eintönigkeit von Harald Clemens müder Theatermacher-Inszenierung. Wenige Minuten vor dem Ende bringt sie als hustende Ehefrau des Staatsschauspielers Bruscon Leben ins Josefstadt-Theater. Verstummt an den Litaneien ihres Mannes, lacht sich die Gekränkte und Gedemütigte aus der Tragödie ihres Lebens.

Tragikomödien nannte Bernhard seine Stücke nicht zufällig - je grauslicher und sadistischer Bruscon seine Familie behandelt, desto belustigter reagiert das Publikum. So bleibt das Theater "eine Jahrtausende alte Perversität", die Bernhard bösartig wie kein anderer in seinem Theatermacher entlarvt und ihr gleichzeitig seine Liebe erklärt.

Als solcher ist der Wiener Star Otto Schenk erstmals in einem Thomas-Bernhard-Stück zu sehen. Das mutet schon ein wenig kurios an, wenn einer der bedeutendsten österreichischen "Volksschauspieler" in einem Stück des wohl bedeutendsten Österreich-Kritikers auftritt. Eine wagemutige Koinzidenz, mit der Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger zeigen will, dass nicht nur Burgtheater-Stars Bernhard-tauglich sind. Nur funktionieren eben manche Konstellationen besonders gut und manche weniger. Es lässt sich zwar gegen Schenks Theatermacher-Darstellung nichts sagen, aber gerade in seiner kauzigen und altersmilden Interpretation des pedantischen Familien-Impresarios spielt er an den pathologischen Bösartigkeiten dieser Figur vorbei. Otto Schenk zeigt viele Facetten, den Narren und Besessenen, den Größenwahnsinnigen und Einsamen, den Liebenden und Verachtenden, aber er bleibt in jedem Moment liebenswert. Dabei ist es doch die tyrannische Kälte, die diese Figur antreibt, die wiederum ihren Spiegel in den Protagonisten des Stücks Das Rad der Geschichte findet: in Napoleon, Stalin, Hitler.

Es ist Bruscons zerstörerische Kraft, die seine Umwelt zum Verstummen und Erkranken bringt und nicht ein kurzer Anfall von Egomanie. Vor allem im Zusammenspiel der Figuren wird diese Schwäche der Inszenierung deutlich. Therese Lohner stapft zwar als Bruscon-Tochter Sarah beleidigt zur Textprobe, ihr Widerstand gegen den Vater bleibt dennoch unmotiviert. Erich Altenkopfs Darstellung des Sohns Ferruccio hat etwas Kreaturenhaftes, die wahnsinnige Angst vor dem Vater bleibt aber unglaubwürdig. Wenn ihn Bruscon als "Antitalent und Krüppel" schimpft, dann lacht das Publikum ohne Harm.

Dass in Harald Clemens konventioneller, schleppender Inszenierung die (Bernhard wohl bekannte) kalte Atmosphäre oberösterreichischer Bauernhäuser dennoch spürbar wird, ist einerseits Martin Kukulies' Bühnenbild, andererseits Peter Kaizars Musik zu verdanken. Im kahlen, beinahe fensterlosen Festsaal zieren Hirschgeweihe und Hitler-Fotografien die dicken Mauern, die vor jeglicher Form von Weltoffenheit sicher schützen. Darin schafft Kaizars ironisierte Volksmusik zwischendurch beklemmende Stimmungen und deutet schon die Schlusskatastrophe an. "Theater ist keine Gefälligkeitsanstalt", lässt Bernhard seinen Bruscon sagen. Er selbst hat Sicherheitsmaßnahmen getroffen und seine Dramen als höchste Herausforderungen an das Theater geschrieben.

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