Bilder von Abnutzung und Verfall

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Das Essl-Museum zeigt, wie Franz Zadrazil durch Hausfassaden Städte und Menschen porträtierte und seine eigene Art von Vanitas kreierte. In einer weiteren Sonderschau kann man die Schwerpunkte der hauseigenen Sammlung - u. a. Lassnig, Mikl, Nitsch, Brandl - studieren.

Rollbalken, Metallwerbeplaketten, endlose Ziegelmauern, Schattenwürfe von Feuertreppen - es waren Hausfassaden, die Franz Zadrazil faszinierten und durch deren malerische Umsetzung er bekannt wurde. Doch er war mehr als ein Fotorealist, hinter seinen nostalgisch wirkenden Gemälden von heruntergekommenen Vierteln aber auch vom Verfall genieteter Metallreklameschilder stand die Suche nach einer Neu-Kreation des Vanitas-Bildes.

Das Essl-Museum in Klosterneuburg hat gemeinsam mit Zadrazils Witwe eine große Retrospektive, die erste seit seinem Tod 2005, zusammengestellt. "Er war ein Städte-Erkunder mit großem handwerklichen und maltechnischen Können, der auf der Suche nach dem Verschwindenden war. Er malte Embleme des Verfalls und der Abnutzung und ließ die Häuserporträts etwas über die Menschen erzählen, die in ihnen wohnten“, sagt der Kurator des Essl-Museums, Günther Oberhollenzer, der die Ausstellung mit Andreas Hoffer und Andrea Kasamas organisiert hat.

Mit Akkuratesse

Zadrazil malte exaktest, was er in den Außenbezirken Wiens, New Yorks oder Paris sah. Wer vor seinen Bildern steht, staunt über die Akkuratesse seiner Ziegelwände, Simse, Fenster, Graffiti, Metallplaketten und dergleichen mehr. Viele Besucher erkennen bekannte Orte wieder, ob das Filmcasino, einen Klaviererzeuger am Elterleinplatz oder einen Optiker in der Nussdorferstraße: "Wir werden von Besuchern darauf hingewiesen, woher man welche Gasse kennt, nicht nur deshalb ist es eine niederschwellige Ausstellung. Zadrazil ist aber mehr als Fassaden - man kann sich in die Geschichten, die auf den Bildern wiedergegeben sind, vertiefen und findet viele Spielereien.“

So ist auf dem bekannten Bild des Geschäfts von Poldi Führers Witwe ein Schäferhund abgebildet, an einem anderen Geschäft hängt ein Zettel "Urlaub von 17. 8. bis 8. 9.“ - es sei dies das einzige Mal in seinem Leben gewesen, dass Zadrazil sich frei genommen habe, erzählte seine Witwe. Zahlreiche Erinnerungen an seine eigene Kindheit verpackte Zadrazil, aber auch Eindrücke von Spaziergängen, in denen er nach dem suchte, was von damals übrig geblieben war - "Zeit fangen“ nannte er es: "Wenn andere rausgehen, um Schmetterlinge zu sammeln, die sie dann zu Hause aufspießen, so gehe ich die Wände und Häuser entlang und fange so eine Fassade ein und spieße sie dann auf das Bild. Ich gehe Zeit fangen.“

Waren es schon von Anbeginn keine strahlenden Viertel der Städte, sondern die abgewohnten, für die sich Zadrazil interessierte und durch die er wanderte, um Fotos zu schießen, die er dann im Atelier auf seine monumentalen Leinwände übertrug, so ist sein Spätwerk von Metallreklameschildern in unterschiedlichen Rostzuständen beherrscht. Mit Akribie hat Zadrazil fertige Gemälde mit Spachtel und Radierer bearbeitet, sodass es aussieht, als würde die Farbe nach und nach abblättern: "Man ist hin- und hergerissen zwischen Faszination und der Frage, warum er seine Werke zerstört hat“, so Oberhollenzer. Zadrazil selbst erklärte dies so: "Es ist der Ablauf der Zeit, die Vergänglichkeitsgeschichte, die mich interessiert, und es ist die kindliche Freude oder auch die notgedrungene Freude am Zerstören, denn die heile Welt des Tafelbildes gibt es ja eigentlich nicht mehr.“ Auch hier gelte, so Oberhollenzer, ebenso wie bei den Häuserfassaden: "Das Hinnige sagt oft mehr über den Menschen aus, war Zadrazils Devise. Wenn ihn jemand kritisierte, dass er keine Menschen male, verwies er die Kritiker darauf, dass er dies doch indirekt sehr wohl tue.“

Jedenfalls gelte es Zadrazil wieder zu entdecken, ist der Kurator überzeugt. "Auch das gehört zum Leitbild des Essl-Museums - Künstler in ihrer ganzen Breite zu zeigen, die es neu kennenzulernen gilt.“ Leicht zugänglich ist dies bei Zadrazil gelungen.

Nur auf den ersten Blick abstrakt

Schwerer tun sich die Besucher wohl auf den ersten Blick bei Cecily Brown, deren Farbexplosionsarbeiten einen Stock höher und erstmals als große Museumspräsentation in Österreich zu sehen sind. Doch wer genauer schaut, erkennt in den gestisch-expressiven Arbeiten Figuren, Tiere, Menschen, Paradies-Szenen, Landschaften - nicht alles, was man auf den ersten Blick für ein abstraktes Gemälde hält, ist ein solches. Vielmehr sind Browns Arbeiten Suchbilder, die einladen, wieder langsam schauen zu lernen.

Außerdem präsentiert man derzeit "acht Künstler, die für die Sammlung wichtig sind“. Aus den rund 7000 Arbeiten der Essl’schen Bestände hat man solche von Maria Lassnig, Josef Mikl, Hermann Nitsch und Herbert Brandl ausgewählt, aus deren Œuvre man Repräsentatives besitzt. Sam Francis repräsentiert die Verbindung des Ehepaars Essl zu den USA, Jonathan Meese performative Gegenwartskunst. "Es sind die üblichen Verdächtigen, aber auch solche, die schon länger nicht zu sehen waren“, sagt Oberhollenzer über die Präsentation.

Franz Zadrazil - Wien, Paris, New York

Essl-Museum

An der Donau-Au 1, 3400 Klosterneuburg

bis 28. Oktober, Di-So 10-18, Mi bis 21 Uhr

www.essl.museum

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