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Grillparzers "König Ottokars Glück und Ende" stand im Mittelpunkt des Burgtheaterjubiläums.

Ein Mythos feiert Geburtstag. Unter dem Motto "1955-2005. Haus am Ring" stand das Festprogramm des Burgtheaters zum 50-Jahr-Jubiläum letztes Wochenende.

Am 15. Oktober 1955 wurde das Haus mit Franz Grillparzers "König Ottokars Glück und Ende" wieder eröffnet, nachdem das Burgtheater 1945 zerstört worden war. 50 Jahre danach blickt Regisseur Martin KuÇsej als veritabler Anwärter des frei werdenden Direktionspostens erneut auf den österreichischen Nationaldramatiker, dessen identitätsstiftendes Historiendrama nun als Europa-Reflexion zu sehen ist.

Der bei sämtlichen offiziösen Ereignissen aufgeführte "König Ottokar" wurde heuer bereits im Sommer bei dem Salzburger Festspielen als wichtigster Beitrag zum "Gedankenjahr" 2005 umjubelt. Genau zum Geburtstag des Burgtheaters hatte die Koproduktion letzten Samstag dann vor Ort Premiere.

In Wien ist die Ausgangsbasis eine andere, es geht um die Burg, um das traditionsreichste Theater im deutschsprachigen Raum, um die Kunst-Visitenkarte des Landes. Genau dort hat KuÇsej angesetzt und in einer künstlerisch erstklassigen Arbeit einen anderen Grillparzer gezeigt, indem er ihn beim Wort nimmt. Denn Grillparzer ist neben Goethe (der u.a. am Vortag im ersten Teil zu Wort kam) Verfechter einer gedächtnisreichen Bildung, nur durch das Erinnern entgeht man einer geschichtslosen Barbarei: "Der Weg der neueren Bildung geht / Von der Humanität / Durch die Nationalität / Zur Bestialität", hat Grillparzer 1849 geschrieben.

Mit einem ausgezeichneten Ensemble und seiner intelligenten, in die Moderne geholten Inszenierung hat KuÇsej etwas geschafft, was eigentlich unmöglich ist: Er hat ein Festspiel kreiert, das ganz und gar nicht affirmativ die Geschichte Europas (allerdings als blutigen Albtraum in grandioser Bildfindung) reflektiert. Neben den beiden Stars Tobias Moretti als archaisch-brutaler Ottokar und Michael Maertens als unterkühlter Globalisierer Habsburg, der das Volk mit Schnitzeln und Autos gewinnt, bejubelte das Wiener Festpublikum KuÇsejs analytische Interpretation, die ironisch mit den Wiener Sängerknaben schließt: "In die Berg bin i gern".

KuÇsej hat eine so starke Arbeit geliefert, dass die Kunst nicht Gefahr läuft, in diesem gesellschaftlichen Ereignis ersten Ranges (und das ist es freilich auch) unterzugehen.

Jubel-Applaus am Samstag und tausende Besucher am Sonntag, am Tag der Offenen Tür, zeigen, dass das Bild vom österreichischen Theaterkult fern jeglicher Klischeevermutung steht. Und da so ein Jubiläum auch immer Triumph der Gegenwart ist, hat Klaus Bachler einen Gedanken-Band in Auftrag gegeben, "Das Burgtheater 1955-2005", und auch die eigene Direktion verewigt.

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