Biografie eines Revolutionärs und Dichters

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Wie kommt eine - nach eigener Definition - Theater- und Filmarbeiterin wie Tina Leisch nach Themen wie den Lebensbedingungen in österreichischen Gefängnissen ("Gangster Girls“, 2008) oder dem Nazi-Terror und dem Widerstand dazu, sich nun mit dem Leben eines Berufsrevolutionärs aus einem mittelamerikanischen Mini-Staat zu beschäftigen?

Bei einem Aufenthalt in El Salvador in den Jahren 1988/89 lernte die schon früh politisch engagierte Künstlerin das Werk von Roque Dalton kennen. "Seine Texte haben mich damals als junge Revolutionsromantikerin sehr fasziniert“, erinnert sich Tina Leisch heute. "Wie Brecht hat Dalton den Klassenkampf präzise auf den Punkt gebracht, aber von einer sehr humanen, menschlichen Seite aus und ganz ohne das Pathos, das damals in der revolutionären Linken weit verbreitet war.“

Der 1935 in San Salvador geborene Roque Dalton ist einer der wichtigsten Dichter Lateinamerikas. Sein Leben liest sich wie ein Abenteuerroman.

Wegen seiner revolutionären Überzeugung und seiner subversiven Tätigkeiten - Dalton war führend am Aufbau einer Guerillabewegung beteiligt - wurde er in seiner Heimat zwei Mal zum Tode verurteilt. Einmal erlangte er durch ein Erdbeben die Freiheit, das das Gefängnis zerstörte, ein anderes Mal durch den Sturz eines Diktators und die darauffolgende Amnestie für politische Gefangene. Doch der Tod lauerte in den eigenen Reihen: 1975 wurde er von seinen eigenen Kampfgenossen zum Tod verurteilt und hingerichtet.

Dalton lebte in Mexiko, Prag und Kuba im Exil, bereiste ganz Lateinamerika, China und Korea. Tina Leisch zeichnet mit viel Respekt und großer Wertschätzung sowie mit brillanten Regie-Ideen den Lebensweg des facettenreichen Künstlers und Revolutionäres nach, sie besuchte und interviewte viele seiner Weggefährten wie Eduardo Galeano, Ernesto Cardenal, Régis Debray, seine Witwe und seine beiden Söhne. Und auch einige seiner Geliebten - der Dichter und Revolutionär übte auf Frauen eine besondere Anziehungskraft aus.

Eine eindrucksvolle, mitreißende Hommage an den großen Sohn eines kleinen Landes, der somit fast 40 Jahre nach seiner Ermordung auf der Leinwand lebendig wird - doch nicht nur in Aufnahmen aus der Vergangenheit, sondern auch in überlebensgroßen Kartonfiguren, die die Handlung begleiten.

Der Film wurde kürzlich am renommierten Internationalen Festival des neuen Lateinamerikanischen Films in Havanna gezeigt, wo noch viele Schriftstellerkollegen, Künstlerinnen, Freunde und Freundinnen Dalton in lebhafter Erinnerung haben, der hier von 1961/62 und von 1968 bis 1973 mit seiner Familie gelebt hat.

Roque Dalton, erschießen wir die Nacht! (Roque Dalton, fusilemos la noche!)

A/El Salvador/Kuba 2013. Regie: Tina Leisch. Kinoki. 86 Min

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