Bisse in die fütternde Hand

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Das mit den Preisen ist so eine Sache. Da möchte man sich als Schriftsteller frei wissen und nennt sich auch so, nämlich freier Schriftsteller, man hält dann aber doch dankend die Hand auf, wenn Staat und Institutionen, denen man kritisch begegnet, ihr Geld ausschütten. Schließlich lebt man davon, auch davon. Dem, der darüber nachdenkt, kann - und muss - das zum Problem werden. Ebenso kann einen die Tatsache ärgern, dass sich Institutionen zwar des Kultursponsorings rühmen, die Preisgelder, die sie dafür aber locker machen, manchmal aber lächerlich gering sind. Doch wer schaut schon dem geschenkten Gaul ins Maul? Wer beißt in die Hand, die ihn füttert?

Thomas Bernhard. Bernhards Bissen zu lesen, ist ein Vergnügen. In den 80er Jahren verfasste er die Prosa "Meine Preise". 20 Jahre nach seinem Tod wurde sie nun von Suhrkamp aus dem Nachlass herausgegeben. Böse Prosastücke, die selbst Bernhard-Kennern noch das eine oder andere neue biografische Detail verraten - doch Achtung: Wer vermag zu sagen, wo das Literarische der Autobiografie beginnt?

Fade Fäden von den Großen zu sich selbst

Die Reden im Anhang entsprechen der Erwartung an Reden eines dankbaren Preisempfängers gar nicht. Nach den Beobachtungen der Preisverleihungen liest man sie umso neugieriger. "Es ist üblich, daß die Leute, wenn sie eine Kantplakette bekommen oder einen Dürerpreis, lange Reden über Kant halten oder über Dürer, fade Fäden ziehen von den Großen zu sich selbst und ihr Hirn ausquetschen über der Versammlung wie ein faules Lexikon. Diese Vorgangsweise liegt mir nicht. Und so habe ich auch in Darmstadt nur ein paar Sätze gesprochen, die mit Büchner nichts, mit mir allerdings alles zu tun hatten."

Weder entgeht Bernhards Ohr "das leise Ministerschnarchen, das weltbekannt ist" noch die Vertauschung der Namen der Preisträger bzw. ihrer Werke. Bernhard erlebt seine eigene Ausladung vom Anton-Wildgans-Preis und in Bremen will ihm noch beim Frühstück keine Rede einfallen. Sein Eintreten in den Saal unter Begleitung vergleicht Bernhard mit dem eines Häftlings, die Fahrt zum Kleinen Österreichischen Staatspreis für Literatur als Fahrt zu einer Hinrichtung. Bekannt ist sein "gespanntestes" Verhältnis "zu unserem Kultur- und Kunstministerium, das ich, aus naher und nächster Kenntnis, verabscheute, in erster Linie die jeweils in ihm regierenden Minister".

Über das Dilemma weiß Bernhard aber ganz genau Bescheid. "Hier hat, so dachte ich immer, mein Charakter ein großes Leck. Ich verachtete die, die die Preise gaben, aber ich wies die Preise nicht strikt zurück. Es war alles widerwärtig, aber am widerwärtigsten empfand ich mich selbst. Ich haßte die Zeremonien, aber ich machte sie mit, ich haßte die Preisträger, aber ich nahm ihre Geldsummen an."

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