Bitter-witziger Alltag bei dieser Polizei

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Die junge Regisseurin Maïwenn Le Besco wurde mit dem fulminanten Ensemblestück "Poliezei“ nach Cannes in den Wettbewerb eingeladen - und erhielt den Spezialpreis der Jury. Ein FURCHE-Gespräch.

Die Furche: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Film über die Arbeit der Jugendschutzabteilung der Pariser Polizei zu drehen?

Maïwenn: Ich habe eine Dokumentation über die Arbeit dieser Abteilung gesehen und war sofort fasziniert. Ich habe mich dann um eine Art Praktikum dort bemüht, denn ich wollte die Polizisten und ihre Arbeit unbedingt direkt kennen lernen, bevor ich ein Drehbuch darüber schreibe. Ich verbrachte viel Zeit in dieser Abteilung, ich habe tausend Fragen gestellt, ich habe mit den Beamten ihre Mittagspausen und auch ihre Abende verbracht.

Die Furche: Wie real ist also das, was im Film vorkommt?

Maïwenn: Die Emotionen zwischen den Beamten, die Konflikte, all das ist echt, die einzelnen Figuren sind aber weitgehend erfunden. Die Kriminalfälle hingegen sind alle tatsächlich so oder ähnlich passiert, wie sie im Film sind: Die Razzia im Lager der Roma, der verstörende Fall, bei dem ein einflussreicher Verdächtiger seine eigene Tochter missbraucht und dann dank einer Intervention von oben davonkommt, die Abschiebungen, die minderjährigen Taschendiebe, all das. Es war mir wichtig zu zeigen, in welch rascher Abfolge die Beamten mit den unterschiedlichsten Fällen zu tun haben. Da ist es wichtig, dass sie sich emotional nicht zu sehr verwickeln lassen, doch das ist schwierig.

Die Furche: Das ganze Ensemble der Polizisten wirkt sehr familiär, Arbeitsbeziehungen gehen bis ins Private. Haben Sie das miterlebt?

Maïwenn: Ja, die Beamten verbringen die Zeit vom Frühstück bis spät in die Nacht miteinander, also auch viel ihrer Freizeit. Natürlich entstehen dabei auch Spannungen, es gibt Rivalitäten und Affären, wie in jedem größeren dynamischen Team. Man darf nicht vergessen dass viele von ihnen Frauen sind, und sie haben oft das Gefühl, durch besondere Härte etwas beweisen zu müssen, anders als ihre männlichen Kollegen. Die ganze Abteilung hat das Problem, dass die Kollegen der anderen Abteilungen herabschauen auf die "Baby-Unit“, wie sie herablassend genannt wird. Dabei ist es doch absurd, dass die Drogenfahndung, so wichtig sie ist, mehr Ressourcen zur Verfügung hat als jene Abteilung, die sich um den Schutz der Pariser Minderjährigen sorgt!

Die Furche: In "Poliezei“ wechseln bestürzende Szenen mit wirklich witzigen Momenten ab.

Maïwenn: Ich fand es wichtig zu zeigen, dass man sich auch über wirklich entsetzliche Ereignisse lustig machen kann, anders wäre das Leben nicht erträglich. Das ist die einzige Möglichkeit für diese Polizisten, ihren Job zu überleben.

Die Furche: Wie haben Sie die Schauspieler auf die Zusammenarbeit vorbereitet?

Maïwenn: Alle haben eine ganze Woche lang acht Stunden pro Tag in dieser Abteilung verbracht. Sie haben also den ganzen Tag mitbekommen wie dort miteinander gesprochen wird, sie sahen die Situationen in denen diese Beamte arbeiten müssen, und sie waren die ganze Zeit zusammen. So ist ein eingeschworenes Team entstanden.

Die Furche: Es entsteht der Eindruck, die Polizisten hätten fast ebenso viele Probleme wie die Kinder, mit denen sie sich befassen.

Maïwenn: Ich zeige sie so, wie ich sie gesehen habe. Ich will sie weder als Helden noch als Schurken oder Versager zeigen. Ich kann nicht sagen, ob sie ihre Arbeit gut machen, ich bin Filmemacherin, ich will nur zeigen, nicht urteilen. Es ist schwierig, da etwas Eindeutiges zu sagen.

Die Furche: Was bedeutete es, in Cannes im Wettbewerb zu sein?

Maïwenn: Das war unerwartet und hat mir viel Selbstvertrauen geschenkt. Ich habe das ja nie gelernt. Ich habe mit 12 aufgehört zur Schule zu gehen, meine Mutter meldete mich damals bei einer Fernschule an und machte die Aufgaben jahrelang für mich, während ich als Kinderschauspielerin arbeitete. Ich habe also deswegen einen riesigen Minderwertigkeitskomplex und immer das Gefühl, ich wäre den anderen unterlegen. Cannes hat mir durch die Einladung vermittelt, dass ich offenbar trotzdem fähig bin, mich durch Bilder auszudrücken. Das war mir die schönste Anerkennung.

Das Gespräch führte Magdalena Miedl

Poliezei (Polisse)

F 2011.

Regie: Maïwenn. Mit Karin Viard, Joeystarr, Marina Foïs, Nicolas Duvauchelle, Maïwenn, Karole Rocher, Emmanuelle Bercot, Frédéric Pierrot. Thimfilm.

127 Min.

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