"Bleibendes schaffen"

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Das geplante neue "Musiktheater" in Linz: Um das ehrgeizige Kulturprojekt ist ein politisches Tauziehen im Gange.

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Das geplante neue "Musiktheater" in Linz: Um das ehrgeizige Kulturprojekt ist ein politisches Tauziehen im Gange.

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Die bekannt katastrophalen Arbeitsbedingungen für das künstlerische und technische Personal sowie die akustischen und Sichtverhältnisse im Großen Haus des Linzer Landestheaters - eine Reihe von Sitzplätzen ist seit langem unverkäuflich -, führten 1992 zu dem auch von der FPÖ mitgetragenen Grundsatzbeschluß der oberösterreichischen Landesregierung, ein "Musiktheater" zu errichten. Allerdings widerriefen die Freiheitlichen bald ihre Zusage und bekämpfen seither den Bau des neuen Hauses als sozial und wirtschaftlich nicht vertretbar.

Die Argumente der Kontrahenten - mit Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) als engagiertem Befürworter und Landesrat Hans Achatz (FPÖ) als Antagonist - könnten nicht kontroversieller sein. Während die FPÖ verkürzt von "Oper" spricht, handelt es sich beim "Musiktheater" um das neue Landestheater, in dem alle musikalischen Bereiche, einschließlich von Projekten mit neuen Medien beheimatet sein werden; aus dem derzeitigen Großen Haus wird ein Schauspielhaus; die Kammerspiele erhalten als Jugend- und experimentelles Theater für Gastspiele eine völlig neue Funktion; die provisorischen Spielstätten im Ursulinenhof und im "Eisenhand" werden aufgelassen.

Achatz meint, daß man mit dem Großen Haus durchaus sein Auslangen finden könne, zumal beachtliche künstlerische Leistungen geboten würden. Dem wird entgegengehalten, daß das Große Haus zum dritten Mal generalsaniert werden müßte, was die drittschlechteste Lösung wäre.

Natürlich spielen auch Zahlen eine große Rolle. Die Gegner operieren mit Errichtungskosten von 1,6 Mrd. Schilling; Pühringer verweist nach Fertigstellung des Architektenwettbewerbs auf eine erste realistische Schätzung von 1,26 Milliarden Schilling sowie auf die Kostenbeteiligung der Stadt Linz mit 500 Millionen Schilling, beide verteilt auf fünf Jahre. Für eine Unterstützung des Bundes gebe es bereits eine Grundsatzerklärung. Dem Vorwurf der Folgekosten in Höhe von 600.000 Schilling pro Tag wird mit dem Hinweis begegnet, daß darin der gesamte Theaterbereich enthalten ist, einschließlich des Brucknerorchesters, soweit es für das Theater aktiv wird.

Pühringer weigert sich, von Folgekosten zu reden, ohne den Folgenutzen anzuführen, der in der durch Universitätsstudien belegten Umwegrentabilität liege. Im Investitionsrahmen des Landes für die nächsten fünf Jahre, der Ausgaben für den Wohnbau bis zu sozialen Einrichtungen umfaßt und eine Höhe von gut 90 Milliarden Schilling erreicht, macht das Musiktheater mit 1,3 Milliarden die kleinste Summe aus. Es soll zum 200-Jahr-Jubiläum 2003 eröffnet werden.

Das "Landestheater neu" mit seinen drei Bühnen wird etwa 600 Personen einschließlich des Brucknerorchesters Beschäftigung bieten, von den zahlreichen Arbeitsplätzen, die während der Bauzeit geschaffen werden, abgesehen. Kritisiert wird von der FPÖ auch die derzeitige schlechte Auslastung des Landestheaters. Sie liegt gegenwärtig tatsächlich bei insgesamt nur 66 Prozent, was auf die mangelnde Akzeptanz der seit dieser Saison neuen Theaterleitung durch das Publikum zurückzuführen ist. Es verweigert sich.

Da sind im Vorfeld viele Fehler gemacht worden. Von der schlechten Auslastung heute auf künftige Besucherzahlen zu schließen, wäre aber verfehlt. Nach Jahren der Standortsuche, der politischen Verhandlungen und Machbarkeitsstudien wird das zwischen Schloß und Donau am Fuß des Römerbergs situierte und in den Fels hineingebaute Musiktheater (samt Werkstätten und Garagen) entstehen und Teil eines Kulturbezirks werden - er soll zwischen 2005 und 2010 fertiggestellt sein -, der auch das Schauspielhaus und die Kammerspiele umfassen wird. Eine "Kulturmeile" an der Donau wird auch das neu zu errichtende Kunstmuseum der Stadt Linz einbeziehen.

Kürzlich haben die Freiheitlichen eine Kampagne ins Werk gesetzt, bei der den Menschen im Lande vorgerechnet wird, wie sehr sie der Theaterneubau steuerlich belasten werde. Das Land Oberösterreich hat als Gegenmaßnahme nun seinerseits eine Informationskampagne gestartet, die nicht nur jeden oberösterreichischen Haushalt erreichen wird, sondern unter anderem eine Wanderausstellung inkludiert, bei der ein Duplikat des Modells des Siegerprojekts von Architekt Hauselmayer gezeigt wird. "Wir wollen seriös informieren, was ein Theater für Linz bedeutet, wenn dieser wirklich ausgezeichnete architektonische Wurf verwirklicht wird. Wir wollen aber auch aufzeigen, was Linz und Oberösterreich ohne Landestheater wären, denn das ist die Konsequenz", unterstrich Pühringer.

Die FPÖ macht sich im Hinblick auf die Größenordnung des Theaterneubaus für eine Volksbefragung stark. 76.184 Landsleute haben sich durch ihre Unterschriften, die bei einem Notar hinterlegt wurden, dafür ausgesprochen. Eine Zustimmung zum Bau des Musiktheaters könne sich Achatz nur dann vorstellen, wenn es dafür eine demokratische Entscheidung im Wege einer Volksbefragung gäbe. Eine solche wird aber von den anderen Parteien abgelehnt. Dazu befragt, antwortete Pühringer: "Ich stelle in diesem Zusammenhang eine Gegenfrage: Glauben Sie, daß heute das Brucknerhaus stehen würde, wenn es eine Volksbefragung gegeben hatte? Man muß den Mut haben, Visionen auch umzusetzen, von denen man überzeugt ist, daß sie langfristig akzeptiert werden. Ein Land ohne diese Kulturbauten ist schließlich nicht vorstellbar. Die mir liebste Definition von Kultur lautet: ,Kultur ist das, was vom Menschen bleibt'. Es ist die Aufgabe jeder Politikergeneration, auch Bleibendes zu schaffen. Und das ist meines Erachtens das Musiktheater".

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