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Eine Ausstellung im Wien Museum zeigt die spannende Auseinandersetzung von Künstlern mit der Stadt Wien - und die umfangreiche Sammeltätigkeit des Museums.

Der ahnungslose amerikanische Steuerzahler finanziert eine bizarre Finanzkonstruktion namens Cross Border-Leasing. Dabei vermieten in Geldnot geratene europäische Kommunen Infrastruktureinrichtungen an US-Firmen und mieten sie direkt zurück. Laut der Internet-Enzyklopädie Wikipedia beträgt das Volumen der in Österreich durchgeführten Cross Border-Leasing-Transaktionen bereits 20 Milliarden Euro. Wenn der Künstler Hans Schabus mit einem selbst gebauten Segelboot der Klasse "Optimist" zuerst durch die Wiener Kanalisation schippert und dann durch den East River vor New York, so zieht er auf verschiedenen Ebenen Verbindungslinien: Zum einen verweist er auf das klassische Einwanderungsland USA, in dem auch zahlreiche Menschen aus Wien ein neues Zuhause fanden, zum anderen darauf, dass die Wiener Kanalisation ihre Weltberühmtheit dem US-Film "Der Dritte Mann" verdankt - aber auch auf die Tatsache, dass die Wiener Kanalisation im Rahmen von Cross Border-Leasing nicht mehr der Stadt Wien gehört, sondern einem US-Investor.

Schabus' Schinackel ist das Plakatsujet der Ausstellung "Wiener Linien" im Wien Museum Karlsplatz - diesen Namen tragen übrigens auch die öffentlichen Verkehrsmittel in der Bundeshauptstadt. Wie sich Künstler in den letzten vier Jahrzehnten mit der Stadt auseinandergesetzt haben, zeigt diese Schau anhand zahlreicher Exponate, welche die umfangreiche und breite Sammlungstätigkeit des Museums dokumentieren. Neben Schlüsselwerken der Kunst- und Mediengeschichte seit 1960 sind auch viele selten oder niemals öffentlich gezeigte Arbeiten zu sehen. Des weiß bemalten Günther Brus legendärer "Wiener Spaziergang" (1965), das erste Auftreten des Aktionismus im öffentlichen Raum, ist ebenso zu sehen wie die Reproduktion des längst verschollenen Peter Weibel-Kunstwerks "Abstrakt-Konkret: Konzeptuelle Fotografie" (1967/72), das sich mit Wiener Stiegenhäusern auseinander setzte.

Der Blick der Künstler auf eine Stadt unterscheidet sich ja von der offiziösen Stadtbetrachtung, die sich in den bekannten Motiven von Postkarten und Touristenfaltblättern niederschlägt. Es ist ein seltsamer, aber bisweilen aufschlussreicher Blick. Mitunter auferlegen sich die Künstler strenge Spielregeln, ähnlich wissenschaftlicher Feldforschung - aber eben nur im artifiziellen Spiel. Das Wien Museum zeigt etwa Valie Exports "Zeitgedicht" (1970), bei dem sie einen Tag lang jede Stunde ein bestimmtes innenstädtisches Straßenstück fotografierte. Oder Peter Dresslers fotografische Arbeiten, in denen systematisch Fahrkarten, Tickets oder Marktwagen festgehalten und gleichsam kategorisiert sind.

"Wiener Linien" erinnert auch an Verschwundenes oder Verschüttetes. 1981/82 dokumentierte Johannes Faber die Entstehung des Industriegebietes Inzersdorf, das bis dahin bloße "Gstätt'n" war, wie der Wiener ungenutztes Brachland nennt. Auch Elfriede Mejchar hielt ein Stück Wien in den letzten Momenten seiner Existenz fest: Sie fotografierte 1979 bis 1981 aufgelassene Ziegelwerke und die dazugehörigen Teiche am Wienerberg, kurz bevor die Gegend verbaut wurde. Michael Zinganel machte sich 1995 auf die Suche nach den vergessenen Überresten des "Roten Wien". Er spürte für das Projekt "Freiraum Superblock - Leerstellen im sozialen Wohnbau" ehemalige Waschhäuser, Bäder, Kino- und Theatersäle auf, die in die Wiener Gemeindebauten integriert waren. Die Räume, einst Teil einer lebendigen sozialdemokratischen Gegenkultur, die alle Bereiche des Lebens umfasste, werden heute "den räumlichen Qualitäten und ideologischen Anliegen entgegengesetzt" genutzt: meist als Lagerräume oder als Supermärkte.

Wiener Linien. Kunst und

Stadtbeobachtung seit 1960

Wien Museum Karlsplatz, 1040 Wien

Bis 20. Juni Di-So 9-18 Uhr

www.wienmuseum.at

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