Ferenc Krausz - © FOTO: APA/dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Ferenc Krausz: Blitzgewitter in Atto-World

19451960198020002020

Mit seinen ultrakurzen Laserpulsen wurde er berühmt. Nun feilt er an noch revolutionäreren Visionen: Willkommen in der Atto-Welt des Ferenc Krausz.

19451960198020002020

Mit seinen ultrakurzen Laserpulsen wurde er berühmt. Nun feilt er an noch revolutionäreren Visionen: Willkommen in der Atto-Welt des Ferenc Krausz.

Werbung
Werbung
Werbung

Sekunden zählen hat hier keinen Sinn: Nicht am Münchner Hauptbahnhof, bis die S5 aus dem Dunkel rumpelt; nicht am Marienplatz, bis sich die U6 nach Garching-Hochbrück blicken lässt; nicht am Busbahnhof, bis Regionalbus Nummer 694 das Fernziel Eching Ost in Angriff nimmt; und erst recht nicht in der Boltzmannstraße, wo die Reise eigentlich zu Ende wäre.

Navigator

Liebe Leserin, lieber Leser,

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

diesen Text stellen wir Ihnen kostenlos zur Verfügung. Im FURCHE‐Navigator finden Sie tausende Artikel zu mehreren Jahrzehnten Zeitgeschichte. Neugierig? Am schnellsten kommen Sie hier zu Ihrem Abo – gratis oder gerne auch bezahlt.
Herzlichen Dank, Ihre Doris Helmberger‐Fleckl (Chefredakteurin)

Schließlich herrscht hier Baustellenbetrieb: Straßenschilder sind verschwunden, Haltestellen verlegt, Lastwagen schaffen tonnenweise Erdgut weg und umkreisen das funkelnagelneue, bayrische Leibniz-Rechenzentrum. Bis das Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) hinter Bäumen und Büschen ins Auge springt, vergehen noch Minuten.

"Es ist eine kleine Weltreise hierher", bestätigt Ferenc Krausz ein Weilchen später in seinem Büro. "Aber die U6 wird ja verlängert." Was für ein Glück für die tausenden Studierenden und Forschenden, die täglich nach Garching pilgern: in die Universitäts-institute, die Europäische Südsternwarte, die Max-Planck-Institute für Plasmaphysik, Astrophysik und extraterrestrische Physik. Oder eben in jenes versteckte Gebäude, in dem Ferenc Krausz seit 2004 - mit 30 Forschenden und Studierenden aus aller Herren Länder - das "Laboratory for Attosecond and High Field Physics" (LAP) betreibt.

Tempo, Tempo, Tempo

Hier hat Sekundenzählen schon gar keinen Sinn: Schließlich sprengen die Experimente in Krausz' Labor alle zeitlichen Dimensionen: Rund 250 Attosekunden sind jene Röntgenlichtpulse lang, die Krausz auszulösen vermag. "Das sind die kürzesten Ereignisse, die der Mensch bis dato je erzeugen und messen konnte", meint er später vor dem Tohuwabohu einer Laser-Apparatur - und versucht diese Kürze zu illustrieren: "250 Attosekunden sind ein Viertel Femtosekunde, und eine Femtosekunde verhält sich zu einer Sekunde wie eine Sekunde zum Alter des Universums." Anders gesprochen: Licht, das in einer Sekunde acht Mal die Erde umkreisen kann, käme in 250 Attosekunden kaum einen tausendstel Millimeter weit.

Keine Frage: Hier ist ein Visionär am Werk, umgeben von Gleichgesinnten. So hat Theodor Hänsch hier Anfang der 90er Jahre jene "Frequenzkamm-Technik" entwickelt, für die er 2005 mit dem Physik-Nobelpreis geehrt wurde. Eine bahnbrechende Neuerung, die Krausz prompt verwenden konnte, um die Lichtschwingungen seiner Pulse zu "zähmen".

"So ein Umfeld wie hier kann man sich nur wünschen", erklärt der 44-Jährige mit Resten eines ungarischen Akzents. "Wenn irgend eine Frage auftritt, gibt es immer einen weltweit führenden Forscher, den man ansprechen kann." Wie hoch genau sein Budget sei, will er nicht verraten. "Aber wir stehen sehr gut da - zum Glück."

Kein Wunder, dass er 2003 den Ruf nach Garching angenommen hat - und im Herbst 2004 nach der Berufung zum Professor für Experimentalphysik durch die Ludwig-Maximilians-Universität endgültig hierher übersiedelt ist. Für seinen "Entdecker" Arnold Schmidt ist Krausz' Weggang "in einem internationalen Geschäft wie der Wissenschaft" durchaus logisch. "Auf einem persönlichen Niveau hat es mich aber traurig gestimmt."

17 Jahre hat der gebürtige Ungar am Photonik-Institut der TU Wien verbracht. Auslöser war ein sympathisches Porträt, wie sich Schmidt erinnert: "Der Herr Krausz hat 1987 als Elektrotechnik-Student versucht, ein Austauschstipendium zu bekommen - wobei ich solchen Sachen eher negativ gegenüber gestanden bin. Aber auf seiner Bewerbung war ein so ein nettes Foto drauf." Der Eifer des jungen Studenten blieb Schmidt in Erinnerung. Und so holte er nach seiner Kür zum Ordinarius den jungen Ungarn, der sich in seiner Diplomarbeit noch mit Pikosekunden-Lasern beschäftigt hatte (10-12 Sekunden), als Assistent nach Wien.

Geld und Freiheit

Fortan ging es stetig schneller: Bereits 1996 erzeugte Krausz Lichtpulse von einigen Femtosekunden (10-15 Sekunden) - und wurde im selben Jahr durch die knapp 1,1 Millionen Euro des START-Preises weiter beflügelt. "Das ist eine außerordentliche hilfreiche Förderungsart, weil sie Mittel mit Freiheit koppelt", meint Krausz. "Ich muss nicht monatelang warten und den Gutachtern alle meine Ideen preisgeben - sondern ich kann sie prompt umsetzen."

Was Krausz auch tat. Bereits 1994 hatte er das Spin-Off "Femtolasers GmbH" gegründet, das Wunderwerke zum Bohren schräger Löcher und zur schmerzfreien Zahnbehandlung entwickeln sollte. Sein nächstes Ziel hieß "lasergenerierte Röntgenstrahlung": "Nachdem ein Lichtblitz nicht kürzer sein kann als eine einzelne Lichtschwingung und Röntgenstrahlung eine viel kürzere Wellenlänge hat als sichtbares Licht, kann man damit viel kürzere Blitze erzeugen." Krausz bestrahlte Gas-Atome mit sehr kurzen Laserpulsen. "Die Schwingungen dieser Pulse sind so intensiv, dass sie die Elektronen vom Atomkern wegziehen", erklärt er. Nachdem das elektrische Feld des Lichts sogleich seine Richtung ändere, werde das Elektron wieder zum Atomkern zurückgeschleudert. Bei der Kollission komme es schließlich zur Ausstrahlung einer Röntgenwelle im Attosekundenbereich (10-18 Sekunden).

Ein Kunststück, das Krausz erstmals 2002 gelang - dem selben Jahr, in dem ihm auch der "Wittgenstein-Preis" samt 1,5 Millionen Euro zugesprochen wurde. Vergangenen Februar macht er schließlich sein Glück komplett - mit den 1,55 Millionen Euro des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Mittel sind gut angelegt. Schließlich lassen sich mit "Verschlusszeiten" im Attosekundenbereich Vorgänge "fotografieren" oder gar steuern, die bis dato unzugänglich schienen: etwa die Bewegung von Elektronen bei chemischen Reaktionen, was völlig neue Möglichkeiten bei der Herstellung von Medikamenten eröffnet. "Dagegen ist das, was wir derzeit betreiben, reine Alchemie", weiß Krausz. Auch Biomaterial könne man auf diese Weise verändern - bis zur Heilung einer Krebserkrankung auf molekularer Ebene.

Bis es so weit ist, konzentriert sich der Ausnahmeforscher auf die Beschleunigung und Optimierung seiner Blitze. Gibt es in diesem Temporausch überhaupt eine absolute Grenze? "Nein", meint Krausz. "Es gibt nur die so genannte Planck'sche Zeit, bei der Zeit und Raum nicht mehr in der gewohnten Form existieren. Allerdings beträgt die 10-43 Sekunden. Bis dahin gibt es noch viele, viele Nullstellen hinter dem Komma."

Zählen sinnlos.

Nächste Woche: Bernhard Palme

Navigator

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf mehr als 175.000 Artikel seit 1945 – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf mehr als 175.000 Artikel seit 1945 – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung