Bloß ein Spielball der Gesellschaft

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"Salome“ bei den Osterfestspielen: Stefan Herheims unkonventionelle Regie und Simon Rattles allzu detailverhaftetes Dirigat spalteten das Publikum.

Wer sich nicht anpasst, ist tot. Aber selbst das ist keine Garantie, um zu überleben. Auf diese Formel lässt sich Stefan Herheims Sicht von Strauss’ "Salome“ bringen. Salome, inmitten einer dekadenten Gesellschaft zum Spielball einer von überbordender Laszivität bestimmten Begierde geworden, wird schließlich selbst Opfer dieser aufoktroyierten Leidenschaft. Eine legitime Lesart dieses Stoffs. Bleibt nur die Frage, wie man diese Idee szenisch auflöst. Gerade das polarisierte.

Hommage an Marilyn

Unerwartet war es nicht, denkt man an Herheims zum Skandal hochstilisierte "Entführung aus dem Serail“ bei den Salzburger Festspielen oder seine ebenso eigenwillige Deutung von Puccinis "Madama Butterfly“ in der Wiener Volksoper. Über- oder wenigstens bewusste Anderszeichnung ist längst zum Markenzeichen des 41-jährigen norwegischen Regisseurs geworden.

Bei dieser "Salome“ ist es nicht anders. Herodes im glitzernden weißen Smokingjacket, Herodias im schmucklosen schwarzen Kleid, Salome ganz in Weiß, als Marilyn-Monroe-Hommage. Schließlich ist das ausgelassene Ausleben der (Sexual-)Triebe - daran lässt Herheim in seiner in einem schwarzen Halbrund mit einer Mondlandschaft im Hintergrund und einem Teleskop im Vordergrund (Bühnenbild: Heike Scheele) angesiedelten Inszenierung vorweg keinen Zweifel - ein zentrales Anliegen dieses Sujets. Ein anderes das Aufzeigen der zerütteten Beziehung von Herodes und Herodias. Dazu hätte es zumindest ansatzweise einer Charakterisierung der Herodias bedurft. Sie aber blieb ohne entsprechende Kontur, blass und schmucklos wie ihr Kostüm. Ungleich mehr widmete sich der Regisseur Herodes. Er wird zu einer von Cäsar, Napoleon bis zu Stalin, Hitler, Mussolini reichenden Ahnenreihe von Tyrannen, die unvermutet die Bühne bevölkern, in Beziehung gesetzt - und ebenso als Inbegriff des um seinen männlichen Absolutsanspruch verzweifelt ringenden Despoten gezeigt.

"Ich will in deinen Mund steigen“

Herheim setzt gerne auf beredte Bilder: Zum Schluss fährt der ins Überdimensionale geweitete Kopf des Jochanaan aus der Zisterne. Salome öffnet ihm den Mund, um bequem hineinzusteigen, ihn mit höchster Leidenschaft zu küssen, ehe aus den Höhen des dunklen Halbrunds Herodes, tief von diesem Geschehen erschüttert, den unmissverständlichen Befehl zu Salomes Tötung gibt. Läppisch die Lösung des Schleiertanzes mit sechs aus der Mondlandschaft entsteigenden, unterschiedlich bunt gekleideten Salomes (Video: fettFilm), die schließlich mit der echten zusammenfinden, um sich mit der übrigen, schrill-bunten Gesellschaft zu einem apokalyptischen Totentanz zu vereinen.

Stückwerk blieb auch die musikalische Seite dieser Produktion, mit der die Osterfestspiele eine Zusammenarbeit mit Gerard Mortiers Madrider Teatro Real begannen. Sie ist vorerst auf drei Neuinszenierungen beschränkt, wird kommende Ostern mit "Carmen“, das Jahr darauf mit "Parsifal“ fortgesetzt. Zu sehr verstrickte sich Sir Simon Rattle an der Spitze der Berliner Philharmoniker, die dabei ebenfalls zeigten, dass die Oper weit weniger ihr Metier ist als das Konzert, auf die plastische Herausarbeitung von Details, setzte die einzelnen Höhepunkte zu wenig zueinander in Beziehung, entzündete sich mehr an den orchestralen Möglichkeiten der Partitur, als sich um eine Balance zwischen den Sängern und dem Orchester zu bemühen.

Nicht nur Emily Magee, deren Salome es auch an Dramatik wesentlich mangelte, hatte Probleme, sich verständlich zu machen. Damit hatten auch Stig Andersen (Herodes), vor allem Hanna Schwarz (Herodias) zu kämpfen. Untadelig Ian Paterson als Jochanaan, stimmig die übrige Besetzung, die gleichfalls nur unterschiedlich der zu wenig gezügelten Lautstärke des Orchesters Paroli bieten konnte.

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