Blumen des Bösen

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Mozarts "Cosi fan tutte" bei den Salzburger Festspielen.

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Mozarts "Cosi fan tutte" bei den Salzburger Festspielen.

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Angesagte Revolutionen und von Auguren prognostizierte Opernskandale finden selten statt. So hielten sich auch Buhkonzert und jubelnde Zustimmung nach dieser "Cosi fan tutte"-Premiere der Salzburger Festspiele die Waage. Und das, obwohl Hans Neuenfels mit dieser Mozart-Inszenierung im Kleinen Festspielhaus seinem Publikum alles andere als leichte Kost beschert.

Neuenfels geht aufs Ganze: Erlässt Lorenzo Da Pontes und Mozarts Figuren nicht nur bildlich aus dem (Gold-)Rahmen fallen. Gleich zu Beginn treten die beiden Liebespaare und die Drahtzieher dieses gefährlichen Treuetests aus dem Bild der heiteren Welt der Schönen und Reichen heraus. Und der Regisseur lässt daran keinen Zweifel: Ab sofort sind ein bohrendes Testverfahren, messerscharfe Analyse und zuletzt ein (Psycho-)Schock angesagt.

Neuenfels streift jeden Hauch von Rokoko-Komödie, von neckischem Getändel und schelmischem Verkleidungsspiel ab. Wenn Ferrando und Guglielmo auf Anstiften des zynischen Philosophen Don Alfonso ihre Mädchen als maskierte Verführer dem Treuetest unterziehen, wird das kein Flirt der Harmlosen, kein biederes Bäumchen-wechsle-dich-Spiel.

Das Bühnenbild Reinhard von der Thannens gibt den Grundton der Inszenierung an: grau-schwarz! Der neapolitanische Salon Fiordiligis und Dorabellas wird zum dunklen Labor (und zugleich zum geheimnisvollen Labyrinth mit aufgespießten Libellen). Und wenn Farben ins Spiel kommen, sind sie schrill, giftig, bedrohlich: Blumen des Bösen in Riesenformat in einer tropischen Versuchsstation der Herzen und der Seelen.

Neuenfels hat eine blitzgescheite Inszenierung voll Ironie und tiefer Bedeutung erarbeitet, die aber einen entscheidenden Fehler hat: Sie ist so schwer mit Andeutungen, Assoziationen, Symbolen und Ausritten in eine mitunter bizarr-surreal anmutende Bilderwelt überlastet, dass Mozart und Da Ponte an manchen Stellen erdrückt werden. Als Zuschauer fühlt man sich von diesen geflügelten Amoretten in Boxhandschuhen, diesen menschlichen Doggen, Frosch- und Gockelmännern, Fliegenpilzdamen und so weiter in einen Zauberladen versetzt, dessen Bilder-Überangebot schwer fassbar wird.

Umso mehr, als der Treuetest einerseits zunehmend ins Banale abgleitet, andererseits aber zur Gratwanderung an einem Abgrund, zu einer Frage nach Existenz, Überleben und Tod wird. Und dass einige Arien in einem optisch ruhigen Rahmen gesungen werden müssen, hat Neuenfels offenbar nicht erkannt ...

Mit einstimmiger Begeisterung wurde das luxuriöse Sängerensemble gefeiert: die strahlende Fiordiligi Karita Mattilas mit dramatischer Attacke, die verführerisch flatternde Dorabella von Vesselina Kasarowa, die temperamentvollen, stimmlich bravourösen Macho-Kontrahenten "Ferrando" Rainer Trost und "Guglielmo" Simon Keenlyside, die freche Zofe Despina von Maria Bayo und der erfreulicherweise gar nicht altersweise Zyniker Don Alfonso von Franz Hawlata.

Nicht ganz konnte Lothar Zagrosek am Pult der Wiener Philharmoniker mithalten. So manches, das in der Tiefe der Mozart-Partitur an Spannungen zu entdecken wäre, blieb da ausgespart.

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