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Österreichs EU-Parlamentarier Hannes Swoboda nimmt Griechenland gegen die harten Bedingungen in Schutz. Das bringt ihm wiederum Kritik ein.

Neulich war Genosse Swoboda in Athen. Hannes Swoboda, Österreicher, Abgeordneter des Europäischen Parlaments ... Da er weiß, was sich gehört, hatte Genosse Swoboda seinen Gastgebern Blumen mitgebracht. In einem Interview mit einem Athener Journalisten sagte er: "Die Art, wie die Dinge gemacht werden, von Brüssel, vom IWF und besonders von Deutschland, ist nicht akzeptabel für uns, denn sie handeln wie eine Diktatur von außen. Sie handeln nicht wie jemand, der helfen will, sondern wie jemand, der Bedingungen diktieren will.“ Statt von außen Sparmaßnahmen zu diktieren, die sich als Fehlschlag erwiesen hätten, sollten besser die griechischen Sozialpartner untereinander eine Einigung aushandeln.

Eine blendende Idee, in der sich tiefe Kenntnis über die Funktionsweise der griechischen Demokratie offenbart. Die großen Erfolge als Marktwirtschaft errang Griechenland seit 1974 bekanntlich durch die ausgeprägte Verhandlungskultur seiner Tarifpartner. Die Essenz von Swobodas Ausführungen war, dass Europa weniger Niederlande, Finnland, Deutschland oder Österreich braucht, dafür aber mehr Griechenland. Immerhin sähen die Deutschen ihr Versagen langsam ein, wusste Swoboda zu berichten: "Viele Deutsche schämen sich dafür, wie Deutschland in Europa und besonders in Griechenland auftritt.“ ...

Weitere Pakete werden folgen

Natürlich wurden Fehler gemacht. Die geforderte "Flexibilisierung“ des Arbeitsmarktes übersieht, dass griechische Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft de jure bestens geschützt, de facto aber oft rechtlos sind. In der Praxis herrscht totale Flexibilität zu ihren Lasten. Wer heute entlassen wird und sein Unternehmen verklagen will, weil es den Arbeitgeberanteil an den Sozialabgaben unterschlug (was sehr häufig vorkommt), bekommt erst im September 2014 einen Termin beim Arbeitsgericht.

Aber im Ganzen gilt: Die griechischen Politiker taten seit 2010 so, als reformierten sie ihren Staat, und die Troika tat so, als glaubte sie ihnen. Nur das Geld war echt. Deshalb muss dem ersten Hilfspaket von 110 Milliarden Euro vom Mai 2010 nun ein zweites von etwa 145 Milliarden Euro folgen, kombiniert mit einem "freiwilligen“ Verzicht privater Gläubiger auf bis zu 70 Prozent ihrer Forderungen. Man kann diese Dauersubvention für "alternativlos“ halten - aber dann sollte man auch sagen, dass dem zweiten dritte, vierte und immer neue Griechenland-Pakete folgen müssen. Wer glaubt, künftige Athener Regierungen könnten oder wollten die Sparvorgaben einhalten, hat Griechenland nicht verstanden. Auch künftige Athener Regierungen werden scheitern, weil die griechischen Strukturen (nicht "die Griechen“) so sind, wie sie sind.

Schuldzuweisung und Versäumnis

Es gibt zwar neue Parteien, aber keine Persönlichkeit, die den Rückhalt hätte, das Land zu reformieren. Ein Politiker muss Mehrheiten organisieren können - es ist in Athen aber niemand in Sicht, der stabile Mehrheiten für Reformen organisieren kann. Alexis Papachelas, Kommentator der griechischen Zeitung "Kathimerini“, schrieb dazu: "Unsere Politiker tun genau das Gegenteil von dem, was getan werden muss. Sie denken offensichtlich, dass sie die Öffentlichkeit täuschen können, indem sie den Schwarzen Peter ständig jemand anderem zuschieben - wie der Troika oder Angela Merkel -, wenn es um Maßnahmen geht, die sie schon längst hätten einführen sollen, selbst wenn Griechenland niemandem einen Cent schuldete.“

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* Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 12. Februar 2012

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