Blutiger Schrecken statt neuer Hoffnung

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Die vor Kurzem in Rom zu Ende gegangene katholische Bischofssynode zur Lage der Christen im Nahen Osten tagte wirklich fünf vor zwölf.

Das neueste Christenmassaker in der syrisch-katholischen Kathedrale mitten in Bagdad hat in schrecklichem Ausmaß alle Befürchtungen übertroffen, die zwischen 10. und 24. Oktober auf der Nahostsynode im Vatikan geäußert wurden. Diese warnenden Stimmen hatten scharfen Widerspruch in der islamischen Welt - aber auch vonseiten Israels - gefunden und waren sogar von päpstlichen Diplomaten abgeschwächt worden. Eine interkonfessionelle Delegation, die den Nahen Osten parallel zur Synode in Rom bereiste, hatte sogar blauäugig zu behaupten gewagt: "Man kann nicht sagen, die Christen seien verfolgt und müssten fliehen - wie auch bei uns gewisse Gruppen dramatisieren." Inzwischen zeigt aber das Fanal von Bagdad, mit seinen in Richtung Ägypten, Libanon und Heiliges Land ausufernden Dimensionen, wie notwendig diese Synode aller katholischen Kirchengemeinschaften im Orient war und dass sie gerade noch rechtzeitig gekommen ist.

Schon im Vorfeld war auf die Nahostsynode der Schatten des Mordes an jenem Bischof gefallen, der eine ihrer zentralen Persönlichkeiten sein sollte: Die regelrechte Abschlachtung von Luigi Padovese im türkischen Iskenderun mit einem Fleischermesser wurde allerdings als persönliches Beziehungsdrama beschönigt, bis auf der Synode die wahren Hintergründe eines islamistischen Mordes ans Licht kamen. Auch andere Teilnehmer durchbrachen in Rom eine Verharmlosung des antichristlichen Gewaltpotenzials in der polit-islamischen Ideologie. An ihrer Spitze der syrisch-katholische Kurienbischof in Libanon, Rabula Antun Beyluni, der mit islamkritischen Aussagen in seiner Synodenintervention für Aufhorchen, aber auch Irritationen gesorgt hat. Er beklagte den "Aufruf zur Gewalt" im Koran. Dieser gebe den Muslimen das Recht, für das Ziel der Bekehrung von Christen das Mittel der Täuschung anzuwenden oder sie zu verfolgen bzw. im Dschihad zu bekämpfen. In muslimischen Ländern gebe es deshalb keine wirkliche Religionsfreiheit.

Das Christenmassaker von Bagdad

Beylunis Äußerungen sorgten prompt für erregte Reaktionen aus dem arabischen Raum. Wenn jetzt die Christenmörder von Bagdad ausgerechnet eine syrisch-katholische und keine andere christliche Kirche ins Visier nahmen, dürfte das mit den klaren Worten des syrisch-katholischen Bischofs im Vatikan zusammenhängen.

Die katholischen Nahostchristen - ob mit lateinischer, byzantinischer, syrischer oder koptischer Tradition - waren aber auf ihrer Synode weit davon entfernt, sich zu einem generell anti-islamischen Arm verlängerter politischer Interessen Israels machen zu lassen. So warnte Erzbischof Kyrill Selim Butros von der melkitischen Diaspora in den USA mit Nachdruck davor, die hebräische Bibel zionistisch als Grundbuch für jüdische Besitz- und Siedlungsrechte im heutigen Palästina zu missbrauchen.

Das Wichtigste und eigentlich Hoffnungsvolle, das sich des Weiteren auf dieser ersten Nahostsynode abzeichnen konnte, ist überhaupt eine ehrliche Mittlerrolle der Nahostkirchen in den todfeindschaftlichen Verwicklungen zwischen politischem Islam und politischem Judentum, die weitgehend an die Stelle des Gegensatzes von Israelis und Arabern getreten sind.

Augenblicklich sieht es aber mehr danach aus, dass die orientalischen Christen selbst zwischen den Mühlsteinen der Nahostgegensätze zermahlen werden.

Von der "neuen Hoffnung", die auf der Synode verheißen wurde, sind vordergründig jetzt nur Trümmer übrig. Das Unheilschwangere am Blutbad von Bagdad ist nicht nur die perfekte Planung und erbarmungslose Exekution des Anschlags durch die Terroristen vom "Islamischen Staat im Irak". Was an diesem beispiellosen Gewaltakt - zuletzt hatte sich ein derartiges Massaker in einer Kirche 1918 an der Niederlassung der Lazaristen im iranischen Urmia abgespielt - weiter zu denken gibt, ist auch die Tatsache, dass die meisten Geiseln bei ihrer "Befreiung" ums Leben gekommen sind.

Der heutige, vom politischen Schiitentum dominierte irakische Staat, scheint weder imstande noch gewillt zu sein, die schwindende Christenheit am Euphrat und Tigris auch nur einigermassen zu schützen. Die amtlichen Informationen waren lang irreführend, bezeichneten die Kirche als "zufälliges Ersatzobjekt" für eine anderswo misslungene Attacke, spielten die hohe Opferzahl bis zuletzt beruhigend herunter.

Inzwischen drohen die Al-Kaida nahe stehenden Schlächter von Bagdad mit weiteren Christenmorden unter Ägyptens Kopten, den Maroniten im Libanon und den Christen in und um Jerusalem. Gleichzeitig hat der globale Islamisten-Terror zu einem neuen Generalangriff auf den Westen geblasen: mit Paketbomben und manch anderem.

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