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Raabs hat Österreich im Tschechischen seinen Namen gegeben. Dort ist zur Zeit auch eine von mehreren Ausstellungen zu sehen, die sich dem Verhältnis Tschechen-Österreicher widmen.

Rakousko, das Land hinter Raabs: Schon der Name, den die Tschechen für Österreich haben, weicht ab von den Bezeichnungen für andere Länder, die sie mit den übrigen slawischen Sprachen teilen; nur die Slowaken und die Sorben haben diese Benennung übernommen. Die Beziehung der Tschechen zu den Österreichern et vice versa ist eben eine ganz besondere und kann nicht einfach unter das Thema Tschechen und Deutsche subsumiert werden.

Es ist eines der großen Verdienste der Niederösterreichischen Landesausstellung 2009, dass sie die Besonderheit dieses Verhältnisses hervorhebt. Deutsche Besucherinnen und Besucher werden das vermutlich noch stärker verspüren als österreichische und schon den Titel "Österreich. Tschechien. Geteilt - getrennt - vereint" exotisch finden. Auch unterbleibt eine Fixierung auf den Nationalsozialismus und die Vertreibung der Sudetendeutschen. Für eine ausgewogene Sicht sorgt nicht zuletzt die Mitarbeit tschechischer Experten.

Überaus wohltuend ist auch die Betonung des regionalen Blickwinkels. Das Thema "Tschechen und Österreicher" wird ja in Österreich zumeist von Wien und damit von einer urbanen Warte aus betrachtet; nach dem Motto: "Da hat er sich geholt aus Brünn a echte Wienerin" … Dass diese Landesausstellung vom Land Niederösterreich zusammen mit dem tschechischen Kreis Vysocina veranstaltet wird, ist nachgerade von politischer Relevanz. Denn wie mit Temelín und der Vertreibungsproblematik umgegangen wird, entscheidet sich an Wahltagen nicht nur in der Bundeshauptstadt, sondern auch in den ländlichen Regionen an der gemeinsamen Grenze.

Schlüsseljahr 1918

Daher ist es auch legitim, dass diese Ausstellung nicht nostalgisch auf die Zeit fixiert ist, "wie Böhmen noch bei Öst'reich war", um noch einmal das Heinz-Conrads-Lied zu zitieren, sondern auf die Zeit danach. Die Ausstellung holt die Menschen bei ihrer Familiengeschichte ab, was Besucherbucheintragungen wie "Die Erinnerung an schlimme Jahre - vor solcher Zeit uns Gott bewahre" belegen. Auch die Ausstellungsführerinnen und -führer sind angehalten, nicht bloß zu dozieren, sondern zum Nachdenken anzuregen, und wenn sie dann noch den Dialekt der Dorfbewohner sprechen, die mit Pfarre, Freiwilliger Feuerwehr oder Kameradschaftsbund von Horn nach Raabs und weiter nach Telc pilgern, werden sie ihr Ziel gewiss erreichen.

Freilich sind die engen Räumlichkeiten sämtlicher Ausstellungsorte für die Abhaltung von Führungen denkbar ungeeignet, und die an sich einleuchtende Idee der Architekten, die unterschiedlichen Sichtweisen durch parallele Wege zu verdeutlichen, führt für Einzelbesucher zu einem aussichtslosen Kampf gegen die Einkesselung durch Reisegruppen. Hinzu kommt die Konkurrenz des gesprochenen Wortes mit dem geschriebenen - die hervorragenden Erklärungstexte sind viel zu lang und können wegen der akustischen Überlagerung ihre Wirkung nicht entfalten. Wer sich also auf das Thema wirklich einlassen möchte, sollte zu dem umsichtig konzipierten, angenehm zu lesenden und obendrein außerordentlich preisgünstigen Katalog (29,- Euro) greifen.

Eine der eindrucksvollsten Visualisierungen ist den Gestaltern gleich in einem der ersten Räume gelungen, indem sie einen Raum mit Zeitungsberichten über die Ausrufung der Republik in Österreich und der sich abkoppelnden Tschechoslowakei tapezierten. Auf der einen Seite dominiert Jubel, auf der anderen tiefe Depression. Wie unterschiedlich das Schlüsseljahr 1918 in Prag und Wien bis heute beurteilt wird, zeigte sich auch an den beiden Republiksausstellungen, die im Vorjahr zum 90-Jahr-Jubiläum eröffnet wurden und von denen jene in Prag bis zum 6. Juli 2009 verlängert wurde.

Schon die Ausstellungsorte deuten die Zielrichtung an: Das Parlament in Wien wurde zum Anlass, in den Mittelpunkt der Betrachtung die Demokratie zu stellen. Die nationale Komponente wurde nicht unterschlagen, aber im Vordergrund stand das Anliegen politischer Bildung. Von den beiden wichtigsten Dokumenten - dem Vertrag von Saint-Germain und dem Staatsvertrag - waren nur eine beglaubigte Abschrift beziehungsweise eine Kopie zu sehen und beide Schriftstücke waren eingebettet in Darstellungen, die der historischen Belege kaum bedurften.

Hitlers Unterschrift

Im Prager Nationalmuseum hingegen stützt man sich auf die reichen eigenen Bestände aus den verschiedensten Sammlungsbereichen. Und den eindeutigen Mittelpunkt bildet das aus Berlin entliehene Original des Münchener Abkommens, mit dem 1938 die Abtretung des Sudetenlandes an Deutschland erzwungen wurde. Hitlers selbstmörderische Unterschrift jagt auch dem Besucher aus Österreich einen Schauer über den Rücken, und für die Tschechen ist die Botschaft klar, dass der Fortbestand der Nation Vorrang hat vor den unterschiedlichen politischen Konzepten.

Dass dies keine leeren Worte sind, zeigt die aktuelle Entwicklung in der Tschechischen Republik zur Zeit ihrer EU-Ratspräsidentschaft. Auch wenn persönliche Ambitionen einzelner Politiker eine große Rolle spielen, ist doch unübersehbar, dass das Österreich-Trauma der Tschechen nach wie vor virulent ist und im innenpolitischen Poker eingesetzt werden kann. Und wie Österreich darauf reagiert, hat Einfluss auf das Verhalten der tschechischen Europapolitik von heute.

Es ehrt die unrühmlich abgesägte Regierung von Mirek Topolánek, dass sie im Gegensatz zum Präsidenten der Republik aufrichtige Versuche unternommen hat, Ressentiments abzubauen. Zu den im Rahmen der tschechischen Ratspräsidentschaft geförderten Projekten gehört nicht nur der tschechische Beitrag zur Niederösterreichischen Landesausstellung, sondern auch die Neugestaltung des Pädagogischen Museums in Prag. Dieses von Touristen kaum wahrgenommene Museum bemüht sich im Namen und am Beispiel seines Namensgebers Jan Ámos Komensky sichtlich, das Bekenntnis zur tschechischen Nation mit jenem zu Europa in Einklang zu bringen. Die Beschriftung ist zwar nur tschechisch und englisch, aber die Bezüge zu Österreich sind unübersehbar.

Ebenfalls zum Rahmenprogramm der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft gehört eine kleine Ausstellung, die am kommenden Montag in der Pause der Festvorstellung des "Don Giovanni" aus Anlass des Jubiläums 140 Jahre Wiener Staatsoper eröffnet wird. Die vom Tschechischen Nationalmuseum gestaltete Ausstellung erinnert an Josef Hlávka, der in Wien als Baumeister der Oper, des Akademischen Gymnasiums, des Deutschmeisterpalais, der Lazaristen- und Sankt-Othmar-Kirche sowie zahlloser Zinshäuser zu sagenhaftem Reichtum gelangt ist und sich als Gründer der Tschechischen Akademie der Wissenschaften sowie einer bis heute aktiven nach ihm benannten Stiftung ins Geschichtsbuch der österreichisch-tschechischen Beziehungen eingeschrieben hat. Auch hier gilt, was ein Besucher ins Gästebuch in Horn eingetragen hat: "Wer kann angesichts dieser Ausstellung noch an der EU zweifeln?"

Österreich. Tschechien. geteilt - getrennt - vereint

NÖ. Landesausstellung 2009, Horn / Raabs / Telc, bis 1. November, täglich 9-18 Uhr

Republika

Národní muzeum. Prag, Václavské námestí, bis 6. Juli, tägl. 9-17 Uhr (außer 1. Mo im Monat)

Pedagogické muzeum J. A. Komenského v Praze

Prag, Kleinseite, Valdstejnská 20, täglich (außer Mo) 10-12.30 und 13-17 Uhr

Josef Hlávka. Wiener Baumeister - tschechischer Architekt - europäischer Mäzen

Wiener Staatsoper, 26. Mai-30. Juni, zugänglich im Rahmen der Vorstellungen

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