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Die Briefe der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, die zur Ikone der Frauenbewegung wurde.

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Die Briefe der mexikanischen Malerin Frida Kahlo, die zur Ikone der Frauenbewegung wurde.

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Die mexikanische Malerin Frida Kahlo hat sich selbst zum Mittelpunkt ihrer künstlerischen Darstellung gemacht. Viele Selbstporträts zeigen sie mit traurigem, verlorenem Blick, von einem kleinen Äffchen umarmt oder mit einem Papagei auf der Schulter. Ihre Selbstdarstellungen in mexikanischer Tracht, von indianischen Göttinnen und Göttern begleitet und immer "la pelona", den Tod in ihrer Nähe, wurden weltberühmt. Seit den späten siebziger Jahren sind ihre drastischen Bilder des verletzten weiblichen Körpers und der gequälten Seele Ikonen der feministischen Bewegung in Europa.

Zahlreiche Biographien berichten von ihrem Leben in Mexiko als Tochter eines deutschen Auswanderers und einer mexikanischen Mutter. Ein schwerer Busunfall mit 16 Jahren zeichnete sie für ihr Leben. So machte sie denn auch die zahlreichen Operationen und Fehlgeburten zum Thema ihrer Bilder, ebenso wie auch ihre Liebe zum großen mexikanischen Freskenmaler Diego Rivera, der sie mit seinen stadtbekannten Affären unablässig verletzte. Auch dies wurde von ihr künstlerisch verarbeitet.

Nun wurden ihre Briefe erstmals auszugsweise veröffentlicht. Auch hier erweist sie sich als scharfe Beobachterin politischer und gesellschaftlicher Vorgänge. Ihre eigenen emotionalen Kämpfe stellt sie mit dem Weichzeichner dar. Anders als in ihren Bildern, beschreibt sie darin die Schattenseiten ihres nach außen hin glamourösen Lebens an der Seite Diego Riveras nicht als verletztes, aber stolzes Opfer, sondern voller Selbstvorwürfe, trivialer Alltagssorgen und Unsicherheit.

"Der Huf will nicht heilen", berichtet sie während eines der unzähligen Krankenhausaufenthalte, bei dem wieder ein neuer Experte versucht, ihr zertrümmertes Bein zusammenzuflicken. Während sie die ersten Jahre nach ihrer Heirat vor allem damit verbringt, "Diego zu lieben", bringen sie die erzwungenen Liegephasen im Gipskorsett dazu, zu malen und ihre Kunst auch zunehmend selbst ernst zu nehmen. Eine Ausstellung in New York und die Einladung nach Paris, wo sie über das Chaos der Ausstellungsvorbereitungen klagt und die Surrealisten allesamt als "Kakerlaken" bezeichnet, bringen ihr große Anerkennung. Sie muß auch malen, um Lebensunterhalt und Behandlungen zu bestreiten. Immer wieder appelliert sie in Briefen an Freunde, ihre Bilder in Galerien oder bei einflussreichen Kunstsammlern anzupreisen, da sie dringend auf den Verkaufserlös angewiesen sei, um die Operationen und Privatärzte zu bezahlen.

In "Gringolandia", wie sie die USA nennt, verkauft sie gut, trotzdem zieht es sie stets nach Mexiko. Auch Diego kämpft in Mexiko mit Ablehnung, während ihm in Amerika die Kunstwelt zu Füßen liegt, doch Frida hat für Amerika wenig Sympathien: "Ich finde ihre Lebensweise ziemlich widerlich, ihre Scheinheiligkeit und ihren ekelhaften Puritanismus, ihre protestantischen Sermone, den Umstand, dass man immerzu ,very decent' und ,very proper' sein muß." Den Menschen in den "Beleidigten Staaten" fehle es einfach an Humor, und ihre Art von "Parties, bei denen von important people nach ein paar Cocktails alles entschieden wird, vom Verkauf eines Gemäldes bis zur Kriegserklärung", sei ihr zuwider, denn wehe, man gehöre nicht zu diesen "important people", dann "kommst du nie zu etwas".

Höchst amüsiert zeigt sie sich von den New Yorker Damen, die ihremexikanischen Trachten als Modetrend übernehmen, obwohl siekeinerlei Bezug dazu haben. Und immer wieder beschreibt sie schuldbewusst ihre Abstürze in "Unmengen Cognac, Tequila usw.", die sie trinkt, um ihre Schmerzen zu betäuben. Ausführlichen Briefwechsel gibt es mit ihrem Arzt Leo Eloesser, den sie bei privaten und gesundheitlichen Krisen zu Rate zieht. Aus ihren Briefen gewinnt man auch den Eindruck, dass ihr unerfüllter Kinderwunsch, den sie in vielen Bildern thematisierte, sehr ambivalent war, weil sie immer auch fürchtete, von einem Kind körperlich belastet und abgelenkt zu werden. Und Diego sei als Vater überhaupt nicht vorstellbar, zu sehr lebe er in seiner und für seine Kunst.

Den Briefen ist auch ein "Porträt Diegos" angefügt, das sie für den Katalog zu seiner Ausstellung im Nationalmuseum für Moderne Kunst in Mexiko-Stadt verfasste. Aus diesem Text geht die große Liebe zu ihm hervor, eine abgeklärte Liebe, obwohl das Ehepaar Rivera zwischen 1929 und 1944 wenigstens eine weibliche Gesellschafterin im Hause beherbergte. Sie würdigt ihn als großen Maler und Denker, als ungewöhnlichen und liebevollen, wenn auch gleichzeitig verletzenden Menschen, der zum Mittelpunkt ihres Lebens geworden ist.

Die Briefe Frida Kahlos werfen Spots auf private Details, sie erhellen ergänzend Facetten ihrer Persönlichkeit, die in ihren Bildern kompromissloser und deutlicher zutage treten: Die Lebensgier, das starke Bedürfnis, geliebt und anerkannt zu werden, die Eifersucht, die ständige Beschäftigung mit Krankheiten und Operationen, gleichzeitig die Auseinandersetzung mit der mexikanischen Volkskunst und der Malerei. Man braucht diese Spots nicht unbedingt, um ihre Bilder zu lieben und zu verstehen. Ob sie sechs übergroße Hemden in New York für Diego urgiert oder ob sie lapidar feststellt, sie "brauche Ruhe zum Malen, denn ich brauche Zaster", berührt nicht die Authentizität ihres Werks, von dem sie einmal gesagt hat: "Ich habe meine Wirklichkeit gemalt." Insofern sind ihre schriftlichen Äußerungen zwar interessant, aber oft unstrukturiert und unklar. Frida Kahlos Sprache ist die Malerei, in ihr hat sie eigentlich alles für die Nachwelt Interessante abgebildet.

Das politische Engagement, das sie aus den Bildern völlig ausklammert, geht aus den Briefen allerdings klar hervor. Wie Diego steht sie auf der Seite der Armen in Mexiko, sie beherbergte Leo Trotzki in ihrem Haus und war engagierte Kommunistin. Als Künstlerin bezieht sie aus der Volkskunst und dem Volksglauben ihre wichtigsten Impulse und lebt doch angewiesen auf die Kaufkraft der "important people", die ihr politisches Engagement verabscheuen.

CARTAS APASIONADAS Briefe der Leidenschaft Von Frida Kahlo Herausgegeben von Martha Zamora.

Übersetzung: Lisa Grüneisen Fretz & Wasmuth Verlag, arte edition, Bern 2000 160 Seiten, geb., öS 269.-/e 19.55

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