Boulevard & Gratis ruinieren Demokratie

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Imhof-Thesen zum Strukturwandel der Öffentlichkeit. Öffentlich-rechtliche Printmedien als Alternative?

Zu einer ungewöhnlich scharfen, aber empirisch-analytisch basierten Abrechnung mit dem Verfall der Medienqualität, gerieten Vortrag und Diskussion mit dem renommierten Schweizer Kommunikationswissenschafter Kurt Imhof in Wien. Der Verfall der Qualität der öffentlichen Kommunikation bedeute einen Verlust an Demokratie. Der Populismus mancher Medien habe den politischen Populismus befördert, meinte Imhof bei einem Diskursbrunch des Medienhaus Wien.

Das gelte vor allem für kleinere europäische Staaten wie Holland, Belgien, Schweiz, Österreich und Ungarn. Kennzeichnend für den von ihm festgestellten „neuen Strukturwandel der politischen Öffentlichkeit“ seien die Boulevardisierung der Medien und ihre Kampagnen, die Banalisierung der Inhalte, die Stilisierung von Konflikten bei gleichzeitigem Verlust an echter politischer, publizistischer Auseinandersetzung. Die Ressorts, vor allem Politik und Wirtschaft, würden in den stark vereinfachenden Medien aufgelöst, alle Nachrichten in einer gleichen Art der Personalisierung vermittelt.

Damit würden nur mehr „hochemotionale Kommunikationsereignisse durchschlagen“, die Welt nur mehr über Katastrophen wahrgenommen, während der für die soziale Ordnung wichtige Strukturkontext in den Hintergrund gedrängt werde.

Diese Verminderung des Niveaus mancher Medien habe zu einem Aufschwung rechtspopulistischer Akteure beigetragen, die – eben ähnlich wie diese Medien selbst – mit ihren vereinfachten Botschaften „erstaunliche Erfolge“ erzielen würden. Sie würden zusammen die Stabilität einer Gesellschaft erschüttern, die etablierten Parteien außer Tritt bringen.

Wissenschaft entwickelt Kriterien des Qualitätsjournalismus

„Wir sind an einer Kippe“, sagte Imhof im Diskursbrunch. Das Internet sowie die Pendler- und Gratiszeitungen würden die Zahlbereitschaft des Publikums weiter senken. Durch die Gratiskultur würde zudem das Unterscheidungsvermögen der Leser für qualitative und weniger qualitätsvolle Berichte verloren gehen. Was tun?

Die Vermittlung von Medienkompetenz werde teils „sträflich vernachlässigt“, was rasch zu ändern sei, so Imhof. Die Kommunikationswissenschaft werde in der Schweiz noch heuer ein Jahrbuch zur Qualität der Medien vorlegen, damit eben Unterscheidungskriterien klar werden. Und wahrscheinlich brauche es auch auf dem Printsektor öffentlich-rechtliche Medien, die beispielsweise von Stiftungen getragen werden. Denn das Geschäftsmodell, über Glaubwürdigkeit und Relevanz des redaktionellen Teiles ausreichend Anzeigen verkaufen zu können, sei nur in einer kurzen Phase der Medien möglich gewesen. Die Aufklärung, der Meinungsfreiheit und Demokratie zu verdanken seien, hätten die Medien aber auch nicht als Gewerbe gesehen. Doch eine liberale Demokratie ohne die Qualitätsmedien „können wir uns gar nicht vorstellen“.

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