Bravouröses Ensemble, prächtige Kulisse

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Mörbisch – das „Mekka der Operette“ – nimmt einen Abstecher zum Musical und zeigt Frederick Loewes Klassiker „My Fair Lady“ mit Michael Maertens und Nadine Zeintl in den Hauptrollen.

Schon vor 18 Jahren hatten die Seefestspiele Mörbisch einmal den Versuch unternommen, ein Musical zu präsentieren, die damalige Uraufführung von „Sissy und Romy“ ist aber als missglückter Flop in die Festspielgeschichte eingegangen. Bei der heuer gezeigten „My Fair Lady“ waren dagegen schon von Anfang an die Grundbedingungen ganz andere: das Stück des 1901 in Wien geborenen, später am Broadway erfolgreichen Frederick Loewe ist ein operettenhaftes, dazu ein Klassiker des Genres voller weltbekannter Melodien. (Und außerdem hat das Werk noch einen weiteren, wenig bekannten Österreich-Bezug: es basiert auf George Bernard Shaws „Pygmalion“, einem Stück, das im Wiener Burgtheater uraufgeführt wurde.) Wenn es also im Vorfeld Bedenken gegeben hat, im „Mekka der Operette“ dieses Musical auf die Bühne zu bringen, dann höchstens auf Grund der Tatsache, dass das Werk aus vielen auf wenige Personen reduzierten, quasi intimen Szenen besteht. Würde man diese auf der Mörbischer Riesenbühne realisieren können? Man konnte – und dies in überaus gelungener Art.

Schauspielerische Zusammenarbeit

Einer der Hauptgründe dafür: das Engagement von Burgschauspieler Michael Maertens für die Rolle des snobistischen Sprachwissenschaftlers Professor Higgins. Wie er nuanciert zwischen selbstverliebtem Zynismus und hinter kühler Fassade großer Unsicherheit schwankt, wie er pointiert mit dem Text umgeht und scheinbar spielerisch vom gesprochenen Wort in den Gesang seiner Couplets wechselt, ist großartig. Aber Michael Maertens ist nicht nur der voll in seiner Rolle aufgehende Schauspieler für sich genommen, er ist Teil eines wunderbaren, gemeinsam agierenden und aufeinander reagierenden Ensembles, in dem die junge Oberösterreicherin Nadine Zeintl die Eliza darstellt. Das ordinär schimpfende Blumenmädchen auf der Straße gelingt ihr ebenso glaubhaft wie die Wandlung zur eleganten Dame, der sie Haltung und Grazie verleiht. Intendant Harald Serafin ist als gutmütig sanfter, zuweilen etwas verwirrter Oberst Pickering zu erleben, Intendanten-Sohn Daniel Serafin als etwas blasser Freddy, Isabel Weicken als Mrs. Pearce und Gabriele Jacoby – einst selbst Eliza in der auch jetzt wieder verwendeten wienerischen Gerhard-Bronner-Version des Werkes – eine Mrs. Higgins mit textlicher Präsenz und darstellerischer Attitüde. Helmuth Lohner hat nicht nur äußerst präzise als Regisseur der schwungvollen, in den Szenenfolgen gut verblendeten Aufführung gearbeitet, sondern ist auch in die Rolle des versoffenen Müllkutschers Alfred P. Doolittle geschlüpft; während er allerdings in den Dialogen mit sprachlicher Gewandtheit glänzen kann, hängt er in seinen Couplets immer wieder dem Rhythmus nach – trotz aller Umsicht, die Caspar Richter am Pult des Festival Orchesters Mörbisch walten lässt. Der Dirigent, der den jahrelangen musikalischen Alleinherrscher im Mörbischer Graben, Rudolf Bibl, in diesem Jahr abgelöst hat, darf ebenfalls als Glücksgriff gewertet werden: das Orchester spielt unter ihm mit Esprit; es gelingt ihm blendend, alle Beteiligten auch über große Distanzen zusammenzuhalten. Und dank des ausgeklügelten Tonsystems von Wolfgang Fritz ist nicht nur präzises Richtungshören möglich, sondern auch ein erstaunlich transparenter Orchesterklang.

Stimmungsvoll und detailverliebt

Eine Konstante in der Mörbischer Erfolgsgeschichte ist seit Jahren die imposante Bühnenarchitektur von Rolf Langenfass: in diesem Jahr hat er in ebenso stimmungsvoller wie detailverliebter Art halb London auf die Breitwandbühne gebaut und die in der Mitte platzierten Hauptszenen mittels Tower Bridge umrahmt. Man bekommt sogar geboten, worauf in Bühnenaufführungen zuweilen verzichtet wird, das große Ballbild – Giorgio Madia hat dafür ebenso wie für die anderen Massenszenen die gefällige, vielleicht ein wenig unspektakuläre Choreographie entworfen. Alles in allem ist „My Fair Lady“ in Mörbisch ein Beweis dafür, dass sommerliche Unterhaltung auch auf sehr hohem Niveau stattfinden kann.

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