Bregenz entdeckt den anderen "Tchaikowsky“

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Neben einer neuen "Zauberflöte“ gilt das besondere Interesse der Bregenzer Festspiele André Tchaikowsky, einer der interessantesten musikalischen Doppelbegabungen des letzten Jahrhunderts.

Von Festspielen, egal wo sie stattfinden, fordert man stets eines: Unverwechselbarkeit. Das spezifische Ambiente, so ausgefallen es auch sein mag, genügt längst nicht mehr. Und auch mit dem Anknüpfen an noch so erfolgreiche Traditionen kommt man nicht viel weiter. Was nicht heißt, dass man deswegen am Grundkonzept rütteln muss. Das steht in Österreichs westlichem Festspiel, in Bregenz, nach wie vor: das Spiel am See als Hauptproduktion, dazu aber ein immer wieder neuen künstlerischen Perspektiven verpflichtetes Programm im Festspielhaus, das traditionell Musiktheater und Konzerte, bestritten vom Festspielorchester, den Wiener Symphonikern und dem Symphonieorchester von Vorarlberg, enthält. Produktionen auf der Werkstattbühne - diesmal mit Kammermusik, der Uraufführung von "The Wasp Factory“, einem Musiktheater nach dem erfolgreichen Roman von Iain Banks von Ben Frost nach einem Libretto von Festspielintendant David Pountney, und die österreichische Erstaufführung von Olga Neuwirths "American Lulu“, einer sehr persönlichen Auseinandersetzung mit Alban Bergs Opernklassiker - runden die Programmpalette ab.

Über das kommende Spiel am See braucht man nicht allzuviel Worte verlieren. Mozarts "Zauberflöte“ ist die wohl populärste klassische Oper, aber nicht nur deswegen, sondern auch wegen der Vielzahl ihrer Themen schwierig angemessen zu realisieren. Für viele Regisseure gerade deshalb ein Wunschstück. So ist es nicht verwunderlich, dass sich in seinem vorletzten Bregenz-Sommer der Intendant höchstpersönlich, David Pountney, dieses Werks annimmt. "Sie ist charmant und unterhaltsam, bezaubernd und witzig, romantisch und geistreich - und transportiert nichtsdestotrotz eine große philosophische Botschaft“, resümiert er über diesen Mozart.

André Tchaikowskys einzige Oper

Gespannt darf man auf den programmatischen Schwerpunkt dieses Bregenzer Festspielsommers sein. Auch in seinem Mittelpunkt steht eine Oper, noch dazu eine Uraufführung: André Tchaikowskys "Der Kaufmann von Venedig“ nach Shakespeares gleichnamigem Stück in einer Inszenierung von Keith Warner mit Adrian Eröd in der Rolle des Shylock. Bregenz setzt damit nicht nur seine Bemühungen um die Aufführung noch nie gespielter Werke fort, sondern legt damit auch gleich den Fokus auf eine der interessantesten musikalischen Doppelbegabungen des letzten Jahrhunderts. Nicht nur ihres Namens wegen, denn der ist gar nicht der ursprüngliche. Geboren wurde der sich später André Tchaikowsky schreibende Komponist und Pianist am Allerheiligentag 1935 in Warschau nämlich als Robert Andrzej Krauthammer.

Mit vier Jahren begann er bei seiner Mutter Klavier zu lernen. Wenig später wurde er mit seiner Familie ins Warschauer Ghetto deportiert. Im selben Jahr, 1942, wurde er unter dem später von ihm angenommenen Namen Andrzej Czajkowski aus dem Ghetto geschmuggelt und bei seiner Großmutter versteckt. Während des Warschauer Aufstands 1944 wurden beide in das Lager Pruszków gebracht, aus dem sie 1945 befreit wurden. Während die Mutter in Treblinka umkam, überlebte der Vater.

Nach dem Krieg nahm Tchaikowsky bei der Wanda Landowska-Schülerin Emma Altberg seine Klavierstudien wieder auf, ging anschließend nach Paris, von dort an die Musikhochschule Warschau, wo er bei Kasimierz Sikorski auch Kompositionsunterricht nahm.

Trotz seiner pianistischen Karriere galt die besondere Leidenschaft von Tchaikowsky, der 1982 in Oxford an den Folgen einer Darmkrebserkrankung starb, dem Komponieren. Sein Oeuvre umfasst Kammermusik, Lieder, Werke für Klavier solo und als bekanntestes sein seinerzeit von Radu Lupu uraufgeführtes 2. Klavierkonzert, das auch in Bregenz - hier mit Maciej Grzybowski als Solist, begleitet von den Wiener Symphonikern unter Paul Daniels - aufgeführt werden wird. Es beschließt zudem ein zusammen mit u.a. dem Warschauer Adam Mickiewicz-Institut, dem Wiener Musikverlag Weinberger und dem Jüdischen Museum Hohenems ausgerichtetes André Tchaikowsky-Symposion, in dessen Rahmen auch das Streichquartett, die Klavier Interventionen und die sieben Shakespeare-Sonette für Gesang und Klavier zu hören sein werden.

Bregenzer Festspiele bis 18. August

www.bregenzerfestspiele.com

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