Brigitte Kowanz - ©  FOTO: APA/HARALD SCHNEIDER

Brigitte Kowanz: Licht und Sprache bleiben nie bei sich

19451960198020002020

Die Wiener Künstlerin Brigitte Kowanz begann ihre Karriere am vermeintlichen Ende der Malerei. Als Grundlage ihrer Kunst bot sich fortan das Licht an und damit der Einstieg in eine lange denkerische Tradition. Zur Retrospektive im Wiener Museum für Moderne Kunst.

19451960198020002020

Die Wiener Künstlerin Brigitte Kowanz begann ihre Karriere am vermeintlichen Ende der Malerei. Als Grundlage ihrer Kunst bot sich fortan das Licht an und damit der Einstieg in eine lange denkerische Tradition. Zur Retrospektive im Wiener Museum für Moderne Kunst.

Werbung
Werbung
Werbung

„Spieglein, Spieglein an der Wand“ formuliert das Märchen jene Frage nach Selbsteinschätzung, die gleichzeitig die Unsicherheit über das Selbstbild und den Wahn nach absoluter Überlegenheit einschließt. Der Spiegel dient dabei nicht bloß als Reflexionsfläche, sondern öffnet darüber hinaus auch den Ausblick auf die Weite des „ganzen Landes“. Und obwohl genug Licht vorhanden ist, um die Beantwortung der Frage vom Konterfei auf der Spiegelfläche ablesen zu können, entwickelt sich trotzdem ein Dialog, tritt die Sprache in das Geschehen ein. In eine ähnliche Fragewelt entführt die Retrospektive von Brigitte Kowanz, deren skulpturale Arbeiten von Licht, Sprache und Spiegeln leben.

Die 1957 in Wien geborene und im Vorjahr mit dem Großen Österreichischen Staatspreis ausgezeichnete Künstlerin begann ihre Karriere am vermeintlichen Ende der Malerei, als die von der Konzeptkunst motivierte Absage an den Gegenstand entweder zu ästhetisch eher unspektakulären Gedankenspielen oder, wie im Falle Kowanz, zu einer nochmals radikalisierten Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Malerei führte. Als Grundlage schlechthin bot sich das Licht an und damit der Einstieg in eine lange denkerische Tradition. Denn schon in der vorsokratischen Philosophie eines Parmenides erschließt sich Erkenntnis als eine Fahrt aus dem Bereich der Nacht in jenen des Lichtes, der jene Erleuchtung anbietet, ohne die es scheinbar keine Einsicht in die Grundbausteine unserer Existenz gibt.

Beide Aspekte treffen sich durchaus

Daher kombiniert Brigitte Kowanz nach Arbeiten, die sich auf Licht und Schatten beschränken, fürderhin in vielen ihrer Arbeiten das per se aussagelose Licht mit sprachlichen Elementen, indem sie ihre Lichtquellen in Form von Neonröhren zu Schriftzeichen verbiegt oder derart mit schwarzem Klebeband segmentiert, dass sich daraus Mitteilungen in Morsezeichen ergeben.

Die beiden Aspekte treffen sich durchaus, denn gleich wie man beim Lesen leicht die konkreten Begriffe übersieht, um der Bedeutung des gesamten Textes zu folgen, wird das Licht als Garant für Sichtbarkeit einfach vorausgesetzt und nur selten als eigenes Medium bedacht. Daneben erhebt die visuelle Poesie von Brigitte Kowanz mit ihrer sprachlichen Präzision und ihrer formalen Klarheit durchaus den philosophischen Anspruch der Erleuchtung, wenngleich sich diese Erleuchtung wie in der Philosophie selbst längst zu einem polyvalenten Fragenkatalog entwickelt hat. „Licht bleibt nie bei sich“ schreibt eine Lichtskulptur, gleiches gilt auch von der Sprache. Und trotz dieser Auflösungstendenz lassen sich beide immer wieder zu konkreten Formen bündeln – ein Vorgang, den Kowanz immer wieder meisterhaft vorführt. Beim Satz „Die verschlüsselte Nachricht dieses Schriftbandes bewirkt das Zustandekommen seiner Form“ biegt sich das Schriftband bei jedem R nach rechts und bei jedem L nach links und ergibt dementsprechend, wie der Satz ja beschreibend feststellt, die Form der Arbeit. Trotz der Entgrenzung, die die Lichtgeschwindigkeit als absoluten Wert in alle Arbeiten von Kowanz einbaut, holt die Künstlerin die Unendlichkeit wieder auf diese Welt zurück, wenn ihre Spiegel-Schrift-Anordnungen in der unzählbar fortgesetzten Wiederholung der Reflexion nicht die Weite eines abendlichen Sternenfirmaments anbieten, sondern sich in ihrer fortschreitenden Verjüngung in die Enge dieser Welt zurückkrümmen.

Brigitte Kowanz. Now I see

MUMOK, Museumsplatz 1, 1070 Wien

bis 3. Oktober, Mo–So 10–18 Uhr, Mi 10–21 Uhr

Katalog: B. Kowanz, Now I See. Wien 2010, e 34

Navigator

Hat Ihnen dieser Artikel gefallen?

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf 100.000 Artikel aus über 40 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Mit einem Digital-Abo sichern Sie sich den Zugriff auf 100.000 Artikel aus über 40 Jahren Zeitgeschichte – und unterstützen gleichzeitig die FURCHE. Vielen Dank!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung