Brückenbauer für ein neues Europa

Werbung
Werbung
Werbung

Der Diplomat Valentin Inzko ist Hoher Repräsentant von Bosnien und Herzegowina. In Briefform porträtiert Pfarrer Josef Valeško seinen Freund und dessen Aufgabe.

Lieber Valentin Inzko!

Am Vorabend der Verkündigung des Herrn hast Du als österreichischer Botschafter in Slowenien Abschied genommen. Und selbst da hast Du diesem Abschied Deine ganz persönliche Prägung gegeben. Deine letzten offiziellen Stunden in Ljubljana wolltest Du mit dem "geistig-spirituellen Slowenien" verbringen. Die Vertreter von Kunst und Kultur, der Wissenschaft und des Glaubens sind alle gerne gekommen, denn der Botschafter ist ihnen ein Freund geworden. Ein seltener Glücksfall der Diplomatie.

In den letzten Jahren war es Dir gegönnt, ein Land zu erkunden, das Du schon gut kanntest. Es ist das Heimatland Deiner Mutter, das Du Dir noch genauer besehen hast vom Gipfel des Triglav in den Julischen Alpen bis zum Meer, von der slowenischen Toskana in der Goriska Brda bei Görz/Gorica/Gorizia bis zu den südsteirischen Weinhügeln. In Ljubljana haben Dich die Menschen geschätzt als einen slowenischen Österreicher, der die Anliegen seines Staates authentisch vertreten hat. In den Dörfern auf dem Land aber öffneten sie Dir Ihre Häuser und ihre Herzen. Bei Brot und Wein haben sie Dich lieb gewonnen. Das Gespräch in der gemeinsamen slowenischen Muttersprache hat Dich mit ihnen verbunden und es mündete in das harmonisch vielstimmig gesungene slowenische Volkslied.

Hat es das schon einmal gegeben, dass die Regierung in Wien (oder früher: der Kaiser) einen Kärntner Slowenen als höchsten Repräsentanten Österreichs in die slowenische Metropole entsandt hat? Erfolgte der kulturelle Austausch seit den Tagen der Monarchie nicht auf andere Weise? Der Kaiser entsandte seine deutschsprechenden Beamten nach Krain, so dass man damals auch vom "Laibacher Deutsch" sprach. Die Slowenen aber zog es nach Wien. Einer von ihnen war Georg Slatkonia (Jurij Slatkonja), Gründer der Wiener Sängerknaben, Rektor der Wiener Universität und erster Residentialbischof von Wien (1513 - 1522). Oder der aus Unterkrain stammende Luka Knafelj (1621 - 1671), später Pfarrer von Großrußbach, dem es gelang, auf der Seilerstätte in Wien ein Haus zu erwerben, um den "Studenten aus Krain" eine gediegene Bildung zu ermöglichen. Über 1300 jungen Slowenen konnte diese Stiftung bis zum heutigen Tag ein Zimmer im Haus anbieten oder ein Stipendium gewähren. Unter ihnen war auch France Preseren, der größte slowenische Dichter.

Du bist der Richtige, ein Menschenfreund

Am 25. März bist Du nach Sarajevo abgereist und die Vertreter von 55 Staaten haben dich als Hohen Repräsentanten von Bosnien und Herzegowina bestätigt. Mit diesem Amt ist eine ungeheure Machtfülle verbunden. In einer Person bist Du zugleich höchster Richter und Staatspräsident. Und das in einem wirtschaftlich schwachen Land, das noch immer unversöhnt entzweit ist. Nicht nur der letzte, auch all die anderen Kriege des 20. Jahrhunderts am Balkan haben Hass und Feindschaft in die Herzen der Menschen gesät. Wer würde da nicht innerlich erzittern, wenn es heißt, die Zügel in die Hand zu nehmen, um dieses Staatsgebilde in eine gedeihliche und versöhnte Zukunft zu führen. Allzu gut weißt Du um die Schwierigkeiten, die Deinen Vorgängern im Amt begegnet sind. Ich denke, Du bist der Richtige für dieses Amt. Denn Du bist ein Menschenfreund. Du hast nie versucht, eine Aufgabe autoritär zu lösen. Deine Größe offenbart sich im offenen Zugehen auf die Menschen. Als überzeugter Christ weißt Du um das Wort Jesu: "Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein." (Mk 10, 42-43)

Das Vorbild Deines Vaters hat sich in Dein Wesen eingeprägt. Mit seiner Bitte um Vergebung hat er auf der Kärntner Diözesansynode 1972 einen Versöhnungsprozess der deutsch- und slowenischsprechenden Katholiken in der Kirche Kärntens eingeleitet. Seit damals ist "das gemeinsame Kärnten" ein bleibendes Vermächtnis für alle Kärntner.

Das gemeinsame Bosnien und Herzegowina ist jetzt Deine Aufgabe. Du kommst ja nicht als Fremder in dieses Europa im Kleinformat, wo seit Jahrhunderten Bosniaken, Kroaten und Serben als Muslime, Christen und Juden leben. Du kennst die Menschen und sprichst ihre Sprache(n). Und sie kennen Dich. Als Du unmittelbar nach dem letzten Krieg als österreichischer Botschafter nach Sarajevo gekommen bist, hast Du den Menschen dort vielfach geholfen. So haben sie deine Größe erfahren und Dich deshalb zum Ehrenbürger von Sarajevo ernannt. Mit diesem persönlichen Kapital bist Du am Fest der Verkündigung des Herrn als Hoher Repräsentant zurückgekehrt. Möge es Dir geschehen, was an diesem Tag der Engel zu Maria gesagt hat: "Der Herr ist mit dir." Dein Bemühen um ein gedeihliches Zusammenleben möge einfließen in eine erneuerte politische Kultur der gegenseitigen Wertschätzung. Du vertraust dem Geist Gottes. In diesem Geist mögest Du ein Geburtshelfer solcher Gesetze und Rechtsprechung sein, die einen dauerhaften Frieden und gedeihlichen Wohlstand ermöglichen. Damit wahr wird, was die Medien berichteten: Du seiest der letzte Hohe Repräsentant in Bosnien - weil sie dann keinen mehr brauchen werden.

Lieber Zdravko!

Mit Dir freue ich mich, mit Dir hoffe und bete ich, dass Du das wirst, wozu Du (unausgesprochen) ernannt wurdest: zum Pontifex Europas.

Josef Valesko

* Der Autor ist Pfarrer in St. Peter am Wallersberg / St. Peter na Vasinjah und Gorence

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung