Brünn feiert Janác eks musikalisches Genie
Leos Janác ek verbrachte in Brünn die meiste Zeit seines Lebens und ist hier hochverehrt gestorben. Bereits zum vierten Mal findet nun das internationale Janácek-Festival statt. Wichtige Werke Janác eks sind hier in knapper Folge, teilweise als Gastproduktionen, zu erleben.
Leos Janác ek verbrachte in Brünn die meiste Zeit seines Lebens und ist hier hochverehrt gestorben. Bereits zum vierten Mal findet nun das internationale Janácek-Festival statt. Wichtige Werke Janác eks sind hier in knapper Folge, teilweise als Gastproduktionen, zu erleben.
"Happy Birthday Leos !" heißt es dieser Tage in Brünn - und man darf sich nicht sicher sein, ob der 1854 geborene Leos Janácek über diesen Zuruf zum 160. Geburtstag auch restlos glücklich gewesen wäre. Er hat den Erfolg gesucht, soviel ist sicher, in der Sprachenfrage aber war er von schärfster Empfindlichkeit. Tschechisch musste es sein, am besten mit mährischem Einschlag - vor allem aber, um das Wichtigste zu sagen: Deutsch durfte man ihm nicht kommen, nein, Deutsch nicht. Nun, diese Gefahr besteht, ganz im Gegensatz zu Lebzeiten Janác eks, im Brünn von heute kaum noch.
Später Ruhm
1928 ist Janác ek in der Stadt, in der er die meiste Zeit seines Leben verbracht hatte, hochverehrt gestorben. Sein Wohnhaus, das sogenannte Janácek-Häuschen, ist ein kleines, aber hübsches Gebäude im Garten seiner Wirkungsstätte, der Brünner Orgelschule. Für den Komponisten erbaut, hätte die Atmosphäre idyllisch sein können und wenn man nicht wüsste, dass seine Ehe die Hölle war, käme man über solche Arbeitsbedingungen sogar ins Schwärmen. So aber wurde es für den (nicht nur national, sondern auch erotisch) leicht entflammbaren Musiker rasch zu eng: lange Kuraufenthalte und Studien zur Volksmusik trieben ihn hinaus. Weg auch von seiner Frau Zdenka, die mit Eifersucht verfolgte, zu welch künstlerischen Höchstleistungen ihn seine Romanzen anstachelten. Hier stand aber auch die berühmte Truhe, in der Janác ek seine Kompositionen verwahrte. Jahrelang wurden hier die Entwürfe zu seinen Werken verstaut, ehe sie nach dem Durchbruch der "Jenufa" (Uraufführung am 21. Jänner 1904 im Tschechischen Theater in Brünn) von ihm und seinen Schülern hervorgeholt, umgearbeitet und zur Quelle seines späten Ruhmes wurden.
Das Janác ek-Festival bietet wichtige Werke in knapper Folge: Opern wie "Jenufa" (Oper Graz, Regie: Peter Konwitschny), "Die Sache Makropulos", "Die Ausflüge des Herrn Broucek", "Das schlaue Füchslein" (Nationaltheater Prag in der Regie von Ondr ej Havelka), eine selten gespielte Fassung der "Glagolitischen Messe" (Originalversion von 1927) und Werke, die Janácek beschäftigt haben, wie etwa Béla Bartóks "Erstes Klavierkonzert".
Die "Jenufa"-Inszenierung von Peter Konwitschny überzeugte auch in Brünn, selbst vor einem Publikum, das Tschechisch versteht. Die Inszenierung ist mit Bedacht auf das Wesentliche konzentriert, vermeidet die Gefahr falscher Folklore und versperrt dem Betrachter jede Fluchtmöglichkeit. Eine bis aufs Notwendigste leergefegte Bühne fokussiert die Aufmerksamkeit gnadenlos auf die fatale Beziehungsgeschichte. Höchste Emotion im erschütternden zweiten Akt, in dem die verquere Logik der Küsterin das Kind opfert - um der Liebe ihrer Stieftochter Jenufa eine zweite Chance zu geben. Die in Graz und Augsburg bereits mit Erfolg gezeigte Produktion wurde überwiegend freundlich, teilweise sogar enthusiastisch aufgenommen. Der Tenor Ales Briscein glänzte in der Rolle des Laca, sein makellos heller Schöngesang wurde mit begeistertem Applaus belohnt.
Eine 337-jährige Sängerin
"Die Sache Makropulos" in der Regie von David Radok lässt sich da schon schwieriger an. Aus den emotional hoch aufgeladenen Dialogsplittern des Konversationsstückes, das auf Arien und Monologe ganz verzichtet, ein geschlossenes Klangganzes zu gestalten, ist die musikalische Herausforderung des Abends. Todessehnsucht und Todesangst der 337-jährigen Sängerin plausibel darzustellen, sind die Vorgaben eines bizarren Librettos. Wie Operndirektoren ihren Primadonnen die Rolle einer Dreihundertjährigen schmackhaft machen, gehört zu den delikateren Aufgaben dieses Berufsstandes. Aber sie ist meisterbar, denn die Hauptrolle der Emilia Marty ist äußerst attraktiv, verlangt musikalische Gestaltungskraft und ein starkes schauspielerisches Talent.
Janác ek ist Anfang der Zwanzigerjahre auf das seltsame Stück von Karel Capek gestoßen und hat dem Autor die Rechte für eine Opernbearbeitung erst abringen müssen. Capek war von seiner eigenen Geschichte nicht mehr so recht überzeugt und schon gar nicht von der Operntauglichkeit des Stoffes. Er hatte in dem Stück mit der (heute ja noch viel aktuelleren) Idee gespielt, was es für Konsequenzen hat, wenn die Menschheit immer älter wird. Janácek hingegen war am Plot interessiert, strich alles Philosophische weg und warf sich mit Feuereifer auf die Intrige rund um das Sterben der Ewigen Sängerin.
Hochmusikalische Gebilde
In Brünn, an der Stätte seines Wirkens, wird man sich Janác eks ja durchaus nicht unproblematischer Gestalt leichter bewusst: Da ist seine Musik, die schlackenlose Tonsprache, mit der etwa eine ganz unsentimentale und in ihrem reinen Naturvertrauen auch wieder so anrührende Geschichte wie die des "Schlauen Füchsleins" erzählt wird - und da ist der Choleriker, der sich immer im Weg steht und dessen musikalische Karriere bis ins hohe Alter nicht so recht vom Fleck kommt, bis er sich zuletzt ganz zwanglos und übrigens auch unangefochten zwischen Giacomo Puccini, Richard Strauss und Alban Berg einreiht.
Die bezaubernde "Sinfonietta" ist dafür ein charakteristisches Beispiel. Sie beginnt als Fanfare für ein Sportfest und Janác ek hatte ursprünglich wohl so etwas wie höhere Gebrauchsmusik im Sinn. Entstanden aber ist ein konzentriertes, hochmusikalisches Gebilde, das kraft seiner inhärenten Logik die Sphäre einer Sportveranstaltung weit hinter sich lässt.
Leos Janác ek sah sich immer (ohne sich das bewusst zu machen) als Politiker, als Kämpfer gegen das Deutschtum, als Propagandist des Mährischen, als Retter seines Krähwinkels, immer unruhig, immer Getriebener einer Mission. Das Großartige und eigentlich Fantastische an Janác eks Musik aber bleibt, dass sie unendlich viel klüger ist als ihr Schöpfer, offenbar verfügte er nicht nur über ein absolutes Gehör, sondern auch über einen völlig unkorrumpierbaren musikalischen Verstand.
Der Autor war langjähriger ORF-Korrespondent in Moskau