Bruno Kreisky - wer sonst?

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Die Furche-Herausgeber

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Zwei Wochen noch bis zu Kreiskys 100er. Das große Erinnern hat längst begonnen: Bücher, Foto- und Karikaturen-Ausstellungen, Konferenzen, Vorlesungen und Schulprojekte, TVSendungen, Theaterpremieren und ein Staatsakt. Was die Republik im Vorjahr dem "Reformkanzler" Josef Klaus an Wahrnehmung verweigert hat, schenkt sie dem "Sonnenkönig" in vollen Zügen.

Eine Aufmerksamkeit, die unserer notorischen Geschichtsvergessenheit entgegenläuft. Gerade wir Älteren können uns also darauf freuen, mit Kreisky ein Stück unserer eigenen Biografie neu zu erleben. Hat doch jeder von uns seine eigene, unverwechselbare Gefühls- und Erinnerungswelt, sobald Kreiskys Name fällt. Gutes und Kritisches - oft auch beides.

Fantasie und Dialektik Kreiskys

Würde ich jemals selbst "Memoiren" schreiben, ich würde versuchen, jener Faszination nachzuspüren, die Bruno Kreisky damals - trotz aller Widersprüche - auch in mir zu wecken verstand: durch seine Bildung und Weltläufigkeit, seine Fantasie und Dialektik. Und durch sein Talent, uns Medienleute zugleich wichtig und in die Pflicht zu nehmen.

Einige wenige Erinnerungen mögen das illustrieren.

Da stand der Kanzler eines Tages unerwartet an meinem Spitalsbett - mit über 1.700 Buchseiten seiner gesammelten Reden als Lesestoff. Später saß ich an seinem Krankenbett, als er mir verriet, warum Kurt Waldheim der gemeinsame SP/ VP-Kandidat für die Hofburg sein sollte. Eine eigene Geschichte ?

Kreisky ließ mich - heimgekehrt aus dem Orient - schon am Flughafen ausrufen, um sich von Begegnungen mit Königen und Revolutionsführern berichten zu lassen. Und mit stillen Botschaften von ihm war ich stolz zu Reagan, Gaddafi und Arafat unterwegs.

Er holte mich nachts in Kairos Kubbeh-Palast in sein Schlafzimmer, um nach dem Lichtschalter zu suchen. Und für das Staats-Diner durfte ich - auf Anwar Sadats stille Bitte - dessen Jubelrede auf den Kanzler entwerfen.

Kreisky hat mich zu seiner vielleicht tollsten Rede nach Israel mitgenommen und mir unterwegs seine Abneigung gegen die dortige Arbeiterpartei anvertraut - samt Zweifel an der Klugheit und Worttreue der PLO.

Die Schwierigkeiten der Nähe

Öfters hat er mir von seinen Enttäuschungen über "Parteifreunde" erzählt - und war nicht selten frustriert, wenn ich die vereinbarte Vertraulichkeit zu wörtlich genommen und nichts darüber geschrieben hatte.

Für ein paar Monate war er sogar "mein" außenpolitischer Kommentator im Kurier und schickte seine Analysen zum kritischen Gegenlesen - vorsichtig-kritische Einwände aber waren heikel.

Er hat mich aus der Anonymität einer Telefonzelle vor einem Diplomaten gewarnt, der meine Nähe gesucht hatte - und sich prompt als Waffenimporteur erwies. Und er hat mich 1983 an einem unvergesslichen Sonntag zu sich gebeten, um mit ihm den Mord an seinem Palästinenserfreund Sartawi zu betrauern.

Im Rückblick weiß ich, wer mir wie kein Zweiter das journalistische Handwerk - und den nüchtern-distanzierten Blick auf die Politik - zugleich leicht und schwer gemacht hat: Kreisky - wer sonst!

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