Brutal, geil und böse

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Schostakowitschs "Lady Macbeth von Mzensk" am Tiroler Landestheater.

Katerina holt sich bei dem Arbeiter-Don-Juan, was sie bei ihrem Mann vermisst. Probleme löst die junge Kaufmannsfrau durch Mord. Aber seit Schostakowitsch ihre scheinbar nur über Sex and Crime möglichen Selbstverwirklichung vieldeutig entschuldigte und Katerinas Umwelt im zaristischen Russland scharf geißelte, ist dieser Frau auf der Suche nach Liebe, Würde und Freiheit die Opernwelt verfallen.

Dirigent Georg Schmöhe, Regisseur David Prins, Arnold Schalks (Bühne) und Michael D. Zimmermann (Kostüme) ist am Tiroler Landestheater ein großartiges Gesamtkunstwerk gelungen. In Schwarz-weiß-rot werden die exzessiven Wechselbäder der Musik optisch hochtheatralisch beantwortet, aber das Stück ist mit präzisem Maß entwickelt und nie überfrachtet.

Über dem Orchestergraben steigt eine revuehafte Vorbühne an, eine Treppe führt zu Katerinas Schauplätzen. Dort ist die Kleidung der Arbeiter aus dem rauhen Stoff ihrer Mehlsäcke, dort gockeln die Polizisten in überdimensionierten Mänteln und Mützen. Wenn der sterbende Hausherr nach einem Popen verlangt, wird rasch ein Arbeiter verkleidet. Da geht Realismus in scharfer Ironie auf, kein Verismo bedient den schönen Traum. Mütterchen Russland ist brutal, geil und böse.

Wir hören die Musik mit Katerinas Ohr und sehen ihre Welt mit ihrem Blick. Die Musik zur Vergewaltigung der prall ausgestopften Haushälterin entspricht der mechanisch entfremdeten Beischlafszene zwischen Katerina und ihrem Liebhaber.

Was Georg Schmöhe an klanglichen Exzessen und Lyrismen, Leidenston und Groteske aus dem Orchester holt, ist ebenso beklemmend wie entfesselnd. Aus dem hochwertigen Ensemble ragen die Katerina der Susanna von der Burg, die sich stimmlich und schauspielerisch nichts erspart, der virile Boris des Joachim Seipp und Dan Chamandys Sergej.

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