Bücher - © Foto: Pixabay

Bücher auf dem NS-Scheiterhaufen

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Über die Bücherverbrennungen im Deutschen Reich vor 80 Jahren sowie in Salzburg vor 75 Jahren, und warum man sich daran erinnern sollte.

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Über die Bücherverbrennungen im Deutschen Reich vor 80 Jahren sowie in Salzburg vor 75 Jahren, und warum man sich daran erinnern sollte.

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In der Nacht des 10. Mai 1933 lodern im Deutschen Reich die Scheiterhaufen. Insgesamt werden im Laufe des Jahres über 90 Bücherverbrennungen organisiert. Sie bilden den Höhepunkt der "Aktion wider den undeutschen Geist“. Bereits in ihrem Vorfeld, am Tag nach dem Reichstagsbrand am 28. Februar 1933, werden zahlreiche Intellektuelle und Schriftsteller festgenommen. Unter ihnen Erich Mühsam und Carl von Ossietzky. Der Schriftsteller und Publizist Erich Mühsam wird im Juli 1934 im KZ Oranienburg von SS-Männern ermordet. Ossietzky, der Friedensnobelpreisträger und Herausgeber der Wochenzeitschrift Die Weltbühne, stirbt 1938 an den Folgen der jahrelangen KZ-Haft.

Ebenfalls 1938, am Vorabend des 1. Mai, nur wenige Wochen nach dem "Anschluss“, findet auf dem Residenzplatz in der Salzburger Altstadt die einzige offizielle nationalsozialistische Bücherverbrennung in Österreich, der damaligen Ostmark, statt. Circa 1200 Bücher gehen in dieser Nacht in Flammen auf.

Zu diesem Zeitpunkt hat der Austrofaschismus mit seiner Zensur, die sich vor allem gegen linke Autoren richtete, gründliche Vorarbeit im Sinne der nationalsozialistischen Kulturpolitik geleistet. So organisiert die Zentralstelle für Volksbildung bereits 1934 die "Säuberung“ der österreichischen Büchereien: Im ganzen Land wird in Volks- und Arbeiterbüchereien "unerwünschte“ Literatur ausgesondert.

Schon 1933 landen viele Bücher österreichischer Schriftsteller und Intellektueller auf dem Scheiterhaufen. Betroffen waren beispielsweise die Werke von Franz Werfel, Joseph Roth, Gina Kaus, Sigmund Freud, Bertha von Suttner, Alexander Lernet-Holenia, Arthur Schnitzler, Stefan Zweig und jene der in Salzburg geborenen Alex Wedding.

Vernichtung der Literatur

Anders als bei den Bücherverbrennungen im Deutschen Reich legen die Verantwortlichen in Salzburg den Schwerpunkt nicht nur auf die Vernichtung der Literatur linker, pazifistischer und jüdischer Autoren. Ihr Augenmerk gilt auch der Auslöschung des Schrifttums aus dem katholischen, ständestaatlichen bzw. austrofaschistischen und legiti-mistischen Bereich.

Karl Springenschmid, der Initiator der Salzburger Bücherverbrennung, formuliert in seiner Feuerrede programmatisch: "Verbrannt, vernichtet sei alles, was an klerikaler Knechtung und jüdischer Verderbnis den Aufbruch einer wahrhaft deutschen Kultur behinderte.“ (Salzburger Volksblatt, 2. Mai 1938)

Einer der zehn Feuersprüche wird Joseph August Lux, Präsident des Salzburger Schriftsteller- und Journalistenverbandes, gewidmet: "Josef August Lux schrieb dieses Buch ‚Österreich über alles!‘ Nein, niemals! Hoch steht uns Österreich, die Heimat. Doch höher, über allem steht Deutschland, das Vaterland. Nicht ‚Österreich über alles‘, Herr Josef August Lux, Deutschland über alles!“

In den weiteren Feuersprüchen werden unter anderem der lange Jahre in Salzburg lebende Stefan Zweig, Max Reinhardt, Otto von Habsburg und Kurt Schuschnigg genannt.

Viele österreichische Autoren erkennen früh die Gefahr des Faschismus und nehmen die schwere Bürde des Exils auf sich. Während zahlreiche Autoren, denen die rechtzeitige Flucht nicht gelingt, sich mit einem Maßnahmenkatalog konfrontiert sehen, der vom Schreibverbot bis zum KZ und zur physischen Auslöschung reicht, hängt so mancher Wendehals sein Fähnlein nach dem Wind. Andere zeigen nun ganz offen ihre zuvor mehr oder weniger verborgene nationalsozialistische Gesinnung. 1938 veröffentlicht der NS-nahe "Bund deutscher Schriftsteller Österreichs“ das "Bekenntnisbuch österreichischer Dichter“. In ihm begrüßen über sechzig österreichische Autoren begeistert den Anschluss, darunter Josef Weinheber, Paula Grogger, Karl Heinrich Waggerl und Franz Karl Ginzkey.

Einige dieser Autoren werden trotz ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit das literarische Leben in Österreich nach 1945 nicht unwesentlich mitprägen. So erhält Max Mell, in der Zeit des Austrofaschismus Präsident des "Bundes deutscher Schriftsteller Österreichs“ und ab 1938 in diversen NS-Anthologien vertreten, nur neun Jahre nach Kriegsende den "Großen Österreichischen Staatspreis für Literatur“. Franz Karl Ginzkey, sein "Hatschi Bratschis Luftballon“ ist heute noch vielen ein Begriff, wird ab Anfang der 1950er Jahre mit Preisen und Ehrungen nahezu überhäuft.

Ebenfalls symptomatisch für die rudimentäre Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus nach 1945 ist der Lebensweg Friedrich Schreyvogls. Er entwickelt sich vom katholisch-nationalen "Vorzeigeautor des Austrofaschismus“ zu einem Apologeten des Nationalsozialismus. Auch er bleibt nach dem Ende des "Tausendjährigen Reiches“ im Literaturbetrieb gut vernetzt. Seine letzte Ruhestätte findet er im Ehrenhain am Wiener Zentralfriedhof.

Der lange Weg zum Gedenken

Jahrzehntelang wird das Gedenken an die Bücherverbrennung in Salzburg unter den sprichwörtlichen Teppich gekehrt. 1987, fast fünfzig Jahre nach den Ereignissen am Residenzplatz, erinnert die "Salzburger Autorengruppe“ erstmals wieder an die Bücherverbrennung in der Mozartstadt. Es dauert weitere zwanzig Jahre, bis 2007 der Salzburger Residenzplatz ein zweites Mal zu einem Ort des Erinnerns und der Mahnung wird. Robert Schindel erinnert in seiner Gedenkrede an die Relevanz der Vergangenheit für unsere Gegenwart und Zukunft: "Hier stehen wir und gedenken der Bücherverbrennung, indes ununterbrochen in vielen Teilen der Welt Menschen verbrannt werden. Achten wir darauf, dass jene Symbolakte uns nicht und nie den Blick verstellen für die aktuellen Barbareien, die unter unseren Augen geschehen.“

Im November 2011 wird eine Gedenktafel an der St. Michaelskirche am Residenzplatz angebracht. Anfang 2012 kommt es im Innenhof der Fachbibliothek UNIPARK zur feierlichen Enthüllung des Mahnmals "In Memoriam Bücherverbrennung“ von Zoltan Pap.

Zahlreiche Autoren überleben Exil und Verfolgung nicht. Nur wenigen gelingt es nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, erfolgreich an ihre Arbeit vor 1933 anzuknüpfen.

Am Salzburger Residenzplatz fehlt auch 2013, 75 Jahre nach der Bücherverbrennung, ein Mahnmal - ein weithin sichtbares Zeichen gegen Hass und Intoleranz, das zum Gedenken an die Opfer und zum Nachdenken über unsere gemeinsame Zukunft anregt.

"Das blutige Rot der Scheiterhaufen ist immergrün. Einen dieser Scheiterhaufen haben wir, mit bloßem Auge, brennen sehen. Ich hatte angesichts des Scheiterhaufens nicht aufgeschrien. Ich hatte nicht mit der Faust gedroht. Ich hatte sie nur in der Tasche geballt. Warum erzähle ich das? […] Weil, immer wenn von der Vergangenheit gesprochen wird, auch von der Zukunft die Rede ist. “

Erich Kästner, "Über das Verbrennen von Büchern“ (Ansprache auf der Hamburger PEN-Tagung am 10. Mai 1958)

Die Autorin ist Psychologin und freie Publizistin.

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