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Das Museum der Moderne Salzburg zeigt Kunst um das Theater.

In Salzburg dreht sich in diesem Festspielsommer auch im Museum der Moderne alles um die Bretter, die die Welt bedeuten. "Kunst auf der Bühne" ist der zweite Teil der 2005 begonnenen Ausstellungstrilogie "les grands spectacles" - eine sehr gelungene Schau mit einer Fülle von Exponaten: Bühnenmodelle, Fotografien und Videos, Zeichnungen, Skizzen und Skulpturen, darunter bisher selten oder noch nie gezeigte Leihgaben u.a. aus den Derra de Moroda Dance Archives Salzburg.

Der zeitliche Bogen spannt sich über rund ein Jahrhundert. Direktor Toni Stooss und die Kuratorinnen Eleonora Louis und Elisabeth Kamenicek bespielen mit drei Schwerpunkten jeweils die einzelnen Stockwerke des Hauses: Die Bühne als Raum, die darin agierenden Körper sowie Arbeiten bildender Künstler für die Salzburger Festspiele nach 1955. Dass es hierbei zeitliche und inhaltliche Überschneidungen gibt, macht den Rundgang durchaus reizvoll.

Farbe, Licht und Schatten

Die "Entrümpelung" der Bühne von üppigen Soffitten und historisierender Ausstattung zugunsten einer atmosphärischen Bühnenauffassung (Adolph Appian) Ende des 19. Jahrhunderts wird weiter revolutioniert zu einer von Farbe, Licht und Schatten bestimmten Raumgestaltung durch Edward Gordon Craig am Beginn des 20. Jahrhunderts. Der Weg führt selbstverständlich auch auf der Bühne in die Abstraktion, vor allem durch die russischen Kubofuturisten (bis hin zu nicht mehr realisierbaren Enwürfen). Am Bauhaus entwickelt Walter Gropius sein zentrales Totaltheater, in Wien Friedrich Kiesler die Raumbühne für die Internationale Theaterausstellung 1924.

Dass Bühne auch als politisch motiviertes Massenpodium eingesetzt wird, belegt die Ausstellung mit den Entwürfen von Vsevolod Mejerhol'd (Moskau 1921). Die Magie der Technisierung gibt wichtige Impulse, die Technik selbst eröffnet immer neue Möglichkeiten, Bühne künstlerisch zu gestalten. Mit der virtuellen Inszenierung von Johannes Deutsch für Rheingold (Linz 2004) schließt sich der Kreis: Wagners Gesamtkunstwerk bleibt - wie für Appian und Gordon Craig - eine innovatorische Herausforderung.

Die moderne Bühne verlangte eine stärker körperbetonte Auffassung der Darsteller. "Bewegung" kommt auf mit dem Ausdruckstanz der großen Tänzerinnen Loie Fuller, Isidora Duncan, wird umgesetzt in gestaltetes Licht und Diaghilews Ballets russes setzt neue, gesamtgestalterische Maßstäbe für die weitere Entwicklung. Abstrakte Figurinen (am Bauhaus entwickelt von Oskar Schlemmer, Wassily Kandinsky) und Marionetten (Alexandra Exter, Fortunato Depero, Otto Morach) erobern künstlerisch die Bühne, bespielen sie als Ballet Méchanique (Fernand Léger) oder gemalte Tableaus in Coucou Bazar (Jean Dubuffet).

Die Arbeiten für Salzburg (im Obergeschoß) faszinieren allesamt: ob Jean Tinguelys filigrane Maschinen (Cenoxodos 1972), Fritz Wotrubas wuchtige Türme (König Ödipus 1965) oder Oskar Kokoschkas 1955 ungeliebte Entwürfe für Die Zauberflöte, die hier in stärkstem Kontrast stehen zu jenen des jüngst verstorbenen Cobra-Künstlers Karel Appel (Amsterdam 1995) und die die diesjährige Festspielproduktion in ein buntes Märchen verwandeln.

Christoph Schlingensief hat, aus Bayreuth kommend, mit "chicken balls. der hodenpark" in einem eigenen Raum ein multimediales Konglomerat geschaffen. Inmitten einer Anhäufung von gebrauchten Gegenständen und Großfotos von Hoden an den Wänden dreht sich im Zentrum eine kleine, zeltartige Bühne, in der man wie in einer Höhle oder einem Jahrmarktkarussell in eine fantastische Zauberwelt aus fließenden Farben, Konturen und Musik eintauchen kann. Von außen ertönen monotone "Mozart"-Rufe, mischen sich kurze Ausblicke auf mit Schoko-Osterhasen gefüllte Regale und vorbeiziehende Besucher in vibrierender Beleuchtung zu einer surrealen Bildcollage. Schlingensief spielt doppeldeutig mit der Mozart-Kugel, ironisiert Vermarktung und hohlen Geniekult. Ob dieser Ent-Tarnung eine Annäherung an den Künstler Mozart folgen wird? Man darf hoffen, denn sonst bliebe der mit Beuys'schen Anleihen bereicherte "Animatograph" nur ein die Sinne verwirbelnder Spaß, dem eigene Abgründe innewohnen.

Trauer um die Hereros

Um Abgründe ganz anderer Dimension geht es dem in Südafrika beheimateten Künstler William Kentridge aus, dessen "black box/ chambre noire" (2005) in einer eindrucksvollen Ausstellung zu sehen ist. Großformatige, ausdrucksstarke Zeichnungen und Collagen sind als Filme in seinem Gesamtbühnenwerk zusammengeführt. Als "Trauerarbeit" thematisiert er mystisch das grausame Leid, das dem Stamm der Hereros 1904 durch deutsche Truppen zugefügt wurde - eine Arbeit, die im Auftrag von Deutschem Guggenheim und Deutscher Bank Berlin entstanden ist und die unter die Haut geht. Zeichen von Gewalt und Trauer sind subtil mit-und ineinander verwoben, begleitet von martialischen Tönen oder leisem Gesang. Sarastros Arie unterstreicht die Verneinung von Hass - eine Botschaft von Kentridge, der als Künstler die Legitimation jede Art von gewaltsamer "Vorwärtsstrategie" in Frage stellt.

KUNST AUF DER BÜHNE

Les Grands spectacles II

CHICKENBALLS. DER HODENPARK

Eine Animatographische Installation von Christopf Schlingensief

WILLIAM KENTRIDGE

black box / chambre noire

Museum der Moderne Salzburg

Mönchsberg 32, 5020 Salzburg

www.museumdermoderne.at

Bis 8. 10. Di-So 10-18, Mi 10-21 Uhr

Während der Festspiele auch montags.

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