Bühnen-Dekalog: Ein Durcheinander

Werbung
Werbung
Werbung

Das Format des Fortsetzungstheaters hat sich längst durchgesetzt: Schon zum dritten Mal startet das Schauspielhaus zu Silvester eine Serie. Wöchentlich findet eine Uraufführung statt, in der meistens Nachwuchsautoren und Jungregisseure zeigen, was sie können.

Nach der überaus erfolgreichen „Strudlhofstiege“ nach Doderer und der Sigmund-„Freud“-Serie letzte Saison hat man heuer von den Lokalmatadoren Abstand genommen und überprüft eine der ältesten Ethiken der Geschichte auf ihre theatrale Gültigkeit: Die zehn Gebote werden in freier Reihenfolge durchquert und auf ihren aktuellen gesellschaftlichen Wert untersucht. Das Schauspielhaus setzt dabei verstärkt auch auf renommierte Autoren, wie Paulus Hochgatterer oder Ilija Trojanow, die mit Prosa reüssieren. Die Diskussion rund um den Mangel an genuin dramatischen Texten, der in den letzten Jahren verstärkt durch Roman- und Filmadaptionen ausgeglichen wird, zeigt diesbezüglich, dass es trotz der Ausrufung der Postdramatik weiterhin ein enormes Bedürfnis nach Geschichten gibt.

Toleranz als einfach gestrickte Botschaft

Auf der Ebene der Unterhaltungskunst bestätigt dies auch das Kabarett Simpl im Vindobona, dessen erfolgreiche Fortsetzungsserie „Jägerstraße“ nun mit Teil 2 gestartet hat. Die „Jägerstraße“ erzählt Geschichten vom Zusammenleben zwischen Migranten unterschiedlicher Herkunft, Mindestrentnerinnen, Künstlern, protestierenden und wohl situierten Studenten im 20. Bezirk, die – zwar einfach gestrickt, aber doch vehement – die Botschaft der Toleranz vermitteln.

Das Schauspielhaus startet mit dem achten Gebot, das Ewald Palmetshofer unter den philosophischen Blickwinkel des Staatsmannes Francis Bacon stellt, der das lateinische Zitat „Die Wahrheit ist eine Tochter der Zeit“ so interpretierte, dass Menschen unter dem Eindruck von Autoritäten die eigene Wahrheit nicht suchten. Dementsprechend lautet der Titel „herzwurst. immer alles eine tochter“. Unter dem Eindruck der Neujahrsansprache des Präsidenten erhebt sich das Herz des einen (Steffen Höld), der seiner ständig an einem kalten Hendl knabbernden Frau Sandra (Katja Jung) sein Herz ausschüttet. Doch was dabei herauskommt, ist nichts anderes als eine gemeine Herzwurst, diese „Stunde der Wahrheit“ ist eine einzige tiefe Kränkung. Für einen anderen (Johannes Zeiler) zieht es das Herz endgültig nach unten, in den Suizid.

Palmetshofers Sprache und Milieu sind klar an Werner Schwabs radikaler Kritik am österreichischen Kleinbürgertum angelehnt, die präsidentialen Worte „Liebe Bürger, liebe Menschen“ kennzeichnen zudem die Mehrklassengesellschaft: „Der Bürger ist drinnen, der Mensch ist der Volkskot, der Dreck.“ Sebastian Schugs Regie bedient diese volkskomödiantische Linie, dennoch bleiben die Assoziationen zum achten Gebot – „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen“ – allzu theoretisch.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung