Bunter Hund im grauen Alltag

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Verdis "Falstaff" nach zehnjähriger Absenz wieder an der Wiener Staatsoper.

Als man vor zwei Jahren an der Wiener Staatsoper mit Verdi-Wochen des 100. Geburtstags des Komponisten gedachte, wurden nicht weniger als zwölf seiner Opern aufgeführt (und eine dreizehnte als Nachtrag in der damaligen Saison nachgereicht), eines seiner singulärsten Werke fehlte jedoch: "Falstaff", die letzte Oper des Komponisten und - sieht man von einem bedeutungslosen Versuch zu Beginn seiner Karriere ab - seine einzige Komödie. Nicht nur in stofflicher Hinsicht unterscheidet sich das Werk des 80-jährigen Verdi jedoch von seinen vorangegangenen Opern, sondern auch musikalisch: Auf abgeschlossene Arien und Soloszenen hatte er verzichtet, statt dessen eine feingliedrige Ensemble-Oper par excellence, ein Werk, in dem im Grunde jede der zehn Partien eine Hauptrolle ist, geschrieben.

Nach zehnjähriger Absenz ist dieses Meisterwerk nun endlich in den Spielplan der Wiener Staatsoper zurückgekehrt, in einer Neuproduktion, bei der Marco Arturo Marelli für Inszenierung, Raum und Licht verantwortlich zeichnete. Er hat diese Oper nicht zum ersten Mal realisiert, reisende Opernfreunde werden unschwer das Konzept seiner Hamburger Inszenierung von 1997 in der jetzigen Wiener Produktion wiedererkennen. Zwei Welten sind dabei gegenübergestellt: der Außenseiter Falstaff, für Marelli ein in die Jahre gekommener Don Giovanni, haust in einer bunten Unterbühne und bringt diese Farben als Sinnbild für Leben und Energie in die pastellig graue Einheitsatmosphäre der Alltagsmenschen auf der Oberbühne; er ist der Motor des Geschehens. Um dies zu versinnbildlichen, hat Marelli einen im Grunde simplen Bühnenraum entworfen: eine riesige, kippbare Bretterschräge, die eine Ober- und eine Unterwelt freigeben kann; nur weniger Requisiten bedarf es, um darauf Fords Haus anzudeuten, nur eines Waldprospekts im Hintergrund um die Atmosphäre des nächtlichen Parks von Windsor erstehen zu lassen. Marelli hat es aber nicht nur verstanden, schnell wandelbare Bühnenräume zu entwerfen, er wusste auch die Personen nuanciert beziehungsreich und stets hochmusikalisch zu führen.

Bestens transportiert wurde dieses überzeugende szenische Konzept von der spielfreudigen Besetzung von weitgehend hoher musikalischer Qualität - angeführt von Bryn Terfel in der Titelrolle, der herrlich einen genussvollen Ritter von außergewöhnlicher Bühnenpräsenz mimte und bei aller Komik nie ins vordergründig Derbe abrutschte. Stimmlich begeisterte er mit einer eminenten dynamischen Breite vom geflüsterten Pianissimo bis zum markanten Ausbruch, gleichzeitig mit textnuancierter, dabei immer ganz selbstverständlich wirkender Gestaltung.

Mit sonor prächtigem Bariton stattete Carlos Alvarez den Ford aus, mit geschmeidig cremigem Ton sang Krassimira Stoyanova die Alice, eine nicht nur optisch sondern auch in ihrer Ausdruckskraft herrlich pralle Quickly mit klangvollen Tiefen war Jane Henschel, eine elegante Meg Page von schönem Ton Elina GaranÇca, sowie Herwig Pecoraro und Alfred SÇramek gute Besetzungen für Bardolfo und Pistola. Michael Roider zeigte erneut seine Talente als Charakterdarsteller, hätte aber musikalisch bei aller Aufgeregtheit im Spiel als Dr. Cajus etwas genauer agieren können. Den an sich wunderschönen Phrasen der Nanetta fehlte es bei der soliden Tatiana Lisnic an klanglichem Blühen und an Farbe im Timbre, der sympathisch agierende, über einen ansprechenden Tenor verfügende Cosmin Ifrim (statt des erkrankten Rainer Trost) könnte dagegen ein sehr guter Fenton werden, würde er sich nur trauen, musikalische Bögen mehr durchzuziehen und Legatophrasen mehr auszukosten.

Bestens vorbereitet, prächtig differenziert und in der klanglichen Balance ausgelotet musizierte das Staatsopernorchester unter Fabio Luisi, der zwar einige Koordinationsschwankungen nicht verhindern konnte, sonst aber mit präzise starker Hand über den korrekten Ablauf wachte, in seiner Strenge allerdings ein wenig die Lockerheit und Eleganz in der musikalischen Wirkung vernachlässigte.

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