Burg goes Boulevard mit Bahr

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Karin Bergmann, die nun seit einem Jahr amtierende Intendantin der Burg, wie das Flaggschiff des heimischen Theaters hierzulande liebevoll genannt wird, bekannte Anfang des Monats in einem Interview mit der dpa "extrem zeitgenössisches Theater" machen zu wollen. Nun ist Hermann Bahrs 1908 uraufgeführtes Lustspiel kaum ein Stück, dem man die versprochene "extreme" Zeitgenossenschaft apriorisch zubilligen wollte. Allerdings tut man bei näherem Hinsehen dem bei weitem erfolgreichsten Stück des "Herrn aus Linz", wie Karl Kraus Bahr spöttisch nannte, damit gewiss unrecht. Denn das darin verhandelte testosterongesteuerte Aufbegehren gegen das Alter sowie die in sprühenden Dialogen aufscheinende, genaueste Zeichnung menschlicher - hier freilich vor allem männlicher - Schwächen sind - man muss es so sagen, obwohl es eine Floskel ist - von schier zeitloser Aktualität. Auch die hysterische Schwärmerei, der Ehebruch samt vereiteltem Seitensprung oder der raffiniert eingefädelte und bloß vorgespielte Partnertausch sind gar nicht so angestaubte Relikte einer Welt von gestern, wie manch eine(r) das meinen möchte.

Ausführlich vergnüglich

Regisseur Felix Prader, bekannt durch die deutschsprachige Erstaufführung von Yasmina Rezas "Kunst" hält sich bei seiner Inszenierung einerseits an Bahrs überaus ausführliche Anweisungen zu Regie und Personal und setzt andererseits auf ein glänzend disponiertes Ensemble, das Bahrs Beschreibungen auf vergnüglichste Weise zu entsprechen sucht. Allen voran Peter Simonischek als der alternde, immer noch umschwärmte Meisterpianist Gustav Heink. Von ihm heißt es bei Bahr er sei "weibisch kokett", von einer "affektierten Herzlichkeit" und überhaupt, er hätte den "Kopf eines durchtriebenen Weltmannes, ohne die langen Haare, die ihm etwas gewerbsmäßig Künstlerisches geben". Wer wollte da widersprechen! Die ihn anhimmelnden "Gänschen", die eine "blond, dick, tragisch", die andere "exotisch aufgedonnert", die dritte "auf Schlange stilisiert, ganz auf Klimt" und noch eine andere "enthusiastisch, atemlos", wirken im matten Braun der von Werner Hutterlis zur Gänze aus Pappkarton gefertigten Bühne (ein mehr als deutlicher Hinweise auf die Haltbarkeit der hier vorgestellten Paarbeziehungen), mit ihren knallbunten Kleidchen und riesigen Blumensträußen, wie Pin-Ups aus den Fünfzigern. Auch die wunderbare Regina Fritsch als die duldsame kluge Gattin, Florian Teichtmeister als Dr. Jura, von dem es heißt "seine ganze Kraft scheint in seinen Kopf gedrängt" und er wirke daher wie "ein Licht in der Hand eines Betrunkenen", dessen "ratlos verwunderte" Frau Delfine (Stefanie Dvorak) sowie Branko Samarovski als Pollinger, "ein Beispiel des bäurischen Zechers" und dessen Frau, eine "handfeste, riegelsame Person"(Barbara Petritsch) hauchen Bahrs Komödie Leben ein, so dass dieses Stück, man muss kein Prophet sein, fraglos zum Hit werden wird.

Das Konzert

Akademietheater, 16., 17., 25. Februar

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