Burmas General-Verdacht

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Hilfslieferungen nach dem Zyklon in Burma erzwingen zu wollen, ist emotional verständlich, moralisch richtig, doch politisch völlig falsch.

Helfen wollen und nicht können ist schlimm. Helfen wollen und können und nicht dürfen ist schlimmer. Helfen wollen und können und nicht dürfen, das Helfen aber trotzdem erzwingen wollen wäre indes am schlimmsten. Die ersten Reaktionen von US-First Lady Laura Bush und Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner nach dem verheerenden Zyklon in Burma, Hilfslieferungen in die betroffenen Regionen mit (militärischer) Gewalt erzwingen zu wollen, sind emotional verständlich und moralisch richtig: So wie es ein Recht auf Notwehr gibt, so gibt es die Pflicht zur Nothilfe. Politisch jedoch ist Helfen mit dem Gewehr im Anschlag völlig falsch.

Mit ihrem Verdacht, dass Hilfe von außen ihre Macht unterminieren würde, liegen Burmas Generäle völlig richtig. Der Umgang mit Katastrophen ist die Nagelprobe für die Legitimität jedes Regimes - ob autoritär-diktatorisch wie in Burma oder demokratisch wie anderswo auf der Welt: Mit Gummistiefeln im Hochwassergebiet watend lassen sich Wahlen gewinnen (siehe Gerhard Schröder 2002 in Deutschland oder Erwin Pröll in Niederösterreich), während eine halbherzige und zu späte Reaktion auf eine Naturkatastrophe die schlechten Umfragewerte von Politikern noch tiefer in den Keller sausen lässt (siehe Alfred Gusenbauers Fortsetzung seines Italienurlaubs, während Ostösterreich und seine Mutter in Ybbs im Hochwasser versinken, oder US-Präsident Bushs Versagen bei der Hurrican-Katastrophe von New Orleans). Konfrontiert mit Naturkatastrophen, wird jede Regierung, die Hilfskompetenz zeigt, mit dem Wohlwollen der Bevölkerung belohnt, während Ineffizienz in den schwersten Stunden eines Landes jedes Regime unterminiert. Insofern bietet jetzt die Erdbebenkatastrophe im Südwesten Chinas den Machthabern in Peking die tolle Gelegenheit, sich als die "bessere Diktatur" zu präsentieren. Eine effiziente chinesische Soforthilfe im Erdbebengebiet wird Regime-Kritiker verstummen lassen, den Tibet-Streit in den Hintergrund drängen und mehr Werbung für Olympia machen, als es das olympische Feuer auf seiner Rundreise bis zu den höchsten Punkten dieser Welt je zustande bringen hätte können.

Wobei niemand außer den Beteiligten weiß, wieviel Katastrophenhilfe China seinem burmesischen Nachbarn bereits hat zukommen lassen. Denn im Unterschied zum Westen, wo auf jedem Hilfspaket groß der gütige Absender draufsteht, unterstützt Peking ohne die Verpflichtung genannt zu werden. Das sieht man seit langem in Afrika, das wird jetzt in Burma nicht anders sein. China unterstützt da wie dort die Machthaber, damit diese vor ihren Bevölkerungen gut dastehen können. Abgerechnet wird später - großzügige Provision für anonyme Unterstützung inklusive.

Der Ärger über die verbotene Hilfe für Burma nährt sich zu einem guten Teil auch aus dieser Änderung des Weltgefüges: Der Westen hat nicht mehr das Hilfsmonopol für die ganze Welt. Zumal sich nicht zu Unrecht die Meinung durchgesetzt hat, dass Katastrophen- und Entwicklungshilfe nie selbstlos geschieht, sondern auch - im besten Fall - als Vehikel für Demokratieexport und Werbung für das westliche Gesellschaftsmodell benutzt, sehr oft aber nur als willkommene Absatzmöglichkeit für Überproduktionen gesehen wird.

"Es gibt die Verantwortung, eine Bevölkerung in Gefahr zu beschützen", begründet Bernard Kouchner seinen moralischen Hilfsimperativ und die Entsendung eines Kriegsschiffes mit Hilfsgütern an die burmesische Küste. Kouchner vergisst, dass er nicht mehr in seinen früheren Rollen als Mit-Initiator von "Ärzte ohne Grenzen" oder hoher UN-Repräsentant spricht, sondern als nationaler Politiker. Was er fordert und was er tut, verstößt gegen internationales Recht. Diese Weltordnung ist auf der Souveränität der einzelnen Staaten gegründet. Und keine Instanz kann nationale Entscheidungen ignorieren - außer man erklärt den Krieg. Die Hilflosigkeit der UNO ist im Fall von Burma ja bereits im letzten Jahr anlässlich der Mönchsaufstände überdeutlich geworden. Deswegen gilt: Das Regime der Generäle ist schwach - es muss und es wird von den Burmesen gestürzt werden. Von außen mit Gewalt dazu beitragen zu wollen, würde aber zum Zyklon noch einen politischen Tsunami hinzufügen.

wolfgang.machreich@furche.at

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