Busta im Brenner-Archiv

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Zum 20. Todestag am 3. Dezember: neue Erkenntnisse über die katholische Kult-Autorin.

In Österreich gibt es noch immer Katholiken, für die Gedichte von Christine Busta das einzige Terrain moderner Lyrik sind, in das sie je ihren Fuß gesetzt haben; damit glauben sie, literarisch in der Gegenwart angekommen zu sein. Es gibt aber auch noch immer Literaturexperten, die in Bustas Gedichten zwar irgendetwas von dem vermuten, was sie für katholisch halten, sie aber nicht als ernstzunehmende Lyrikerin lesen können.

Tatsächlich hat ihr Weg aus den von Weinheber-Pathos und Rilke-Nachfolge geprägten Anfängen in die poetische Zeitgenossenschaft einige Zeit gedauert - eine für die österreichische Nachkriegslyrik nicht untypische Verspätung. Am 23. November 1946 veröffentlichte Busta ihr allererstes Gedicht "An den Schmerz" (damals noch unter dem Namen Christl Dimt) in der Furche, von der sie ein Jahr später für die Legende "Das Fischwunder" mit einem Literaturpreis ausgezeichnet wurde. Liest man ihre Anfänge, etwa das Gedicht "An den Regen" ("Rauschender im Gezweig / O wie löst du des Leids / Herzverborgenen Quell ...") oder den heute nur noch schwer erträglichen Tonfall des Prosatextes "Das Gespräch" - beide 1947 in der Furche -, so ist die lakonische Verknappung ihrer besten Gedichte kaum zu ahnen.

Nicht die lange Anlaufszeit in der Nachkriegszeit freilich ist das Problem, sondern ihre Briefe vor und während des Krieges sowie ihre Tagebücher der Jahre 1932 bis 1939. Seit ein bedeutendes Teil ihres Nachlasses im Februar 2007 als Schenkung der Familie an des Innsbrucker Brenner-Archiv gelangte, sind sie der Forschung zugänglich und zeigen Christine Bustas frühe Begeisterung für Alfred Rosenbergs "Mythos des 20. Jahrhunderts" oder ihre Freude über den Fehlschlag des Attentates auf Hitler. Anette Steinsiek vom Brenner-Archiv, die kürzlich beim Busta-Symposium der Österreichischen Gesellschaft für Literatur erstmals über diesen Nachlass referiert hat, sieht dahinter im Furche-Gespräch einen idealistischen Rausch und ein naives Verkennen politischer Zusammenhänge. Der Innsbrucker Germanist Wolfgang Wiesmüller, der sich seit langem mit Busta beschäftigt, verweist in diesem Zusammenhang auf Christine Bustas Mann, den Musiker Maximilian Dimt, der (wie seine Familie) ein fanatischer Nazi war, und findet in den Briefen der Autorin bis weit in die 1940er Jahre ein Pathos der Überzeugung. Problematischer als die Äußerungen der jungen Autorin sind die späteren vagen und unreflektierten Distanzierungen: Christine Busta hat sich offenbar mit einer "Kollektivschuld" den genauen Umgang mit ihren eigenen Einstellungen erspart. Und das passt nur zu gut in das Büßer-Geraune im wolkig-konservativen Katholizismus der Nachkriegszeit.

Gerade die Sprachklischees das katholischen Milieus hat sie jedoch in ihren Gedichten aufgebrochen und der heilen Welt zunehmend misstraut: "Während versehrbares Leben / zu heilen Bildern gerann, / sind Kinder und Tauben verblutet", lautet das Ende des Gedichts "Vor Picassos Kind mit der Taube". Gegen das Klischee der "christlichen Dichterin", in das sie gepresst wurde, schrieb sie eine fast formelhafte Selbstdefinition in Gedichtform: "Ich bin eine durch / das Christentum / gebrochene Heidin. // Aber ich bin für diese / Brechung dankbar." Mehrmals ist ein Gedicht als Gebet oder als Psalm bezeichnet, aber gerade das sind keine konventionellen religiösen Texte, sondern irritierende Reibungen an der Erwartung, die solche Titel erzeugen.

Es lohnt sich, Christine Busta zu lesen - abseits von Religion oder Weltanschauung. Die Leser ihrer Gedichte werden freilich auch nicht um den Band herumkommen, der 2008 in der Reihe "Texte und Materialien" des Österreichischen Literaturarchivs (dem zweiten Ort ihres Nachlasses) erscheinen wird und erstmals einen genaueren Blick auf die Biografie wirft. Das Brenner-Archiv hat auch ein Forschungsprojekt beantragt, um den Busta-Nachlass aufzuarbeiten. Da sind Überraschungen noch durchaus möglich.

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