Calvin: Keineswegs der Vater des Kapitalismus

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Seine sich auf ihn berufende Gemeinde ist klein: Knapp 20.000 Reformierte, im offiziellen Sprachgebrauch als "Evangelische Kirche Helvetischen Bekenntnisses" bezeichnet, gibt es in Österreich. Johannes Calvin, einer der beiden großen Reformatoren, auf die sich diese Kirche zurückführt, wurde 1509 geboren. Das 500. Geburtsjahr wird weltweit als Calvin-Jahr begangen.

"Wir wollen der Welt mitteilen, welche Bedeutung Johannes Calvin für die Gegenwart hat", so der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld über dieses Gedenkjahr. Calvin sei nicht "der Vater des Kapitalismus, sondern wäre heute für einen verantwortlichen Umgang mit der Schöpfung, und ein Gegner von Kapitalismus und Neoliberalismus", so Hennefeld.

Reformator von Genf aus

Der gebürtige Nordfranzose Calvin war als Student in Paris mit Martin Luthers reformatorischen Lehren in Berührung gekommen und hing diesen an. 1535 musste er darob Frankreich verlassen und gelangte über Basel, wo er Schweizer Reformatoren kennlernte, nach Genf. Dort erstellte er eine strenge Gemeindeordnung, was aber zu Konflikten mit dem Rat der Stadt führte. 1538 wurde er ausgewiesen und zog nach Straßburg. Dort kam er in Kontakt mit dem Reformator Martin Bucer, der ihn in seiner Theologie prägte.Auf Wunsch des Rates von Genf kehrte Calvin 1541 in die Stadt zurück, um sie von der Rückkehr zum Katholizismus abzuhalten. Calvins rigide Kirchenordnung breitete sich von Genf über weite Teile Europas aus. Dass es in der Stadt zur Verfolgung von "Häretikern" kam, ist nach heutigen historischen Erkenntnissen aber nicht linear aus Calvin'schen Ideen abzuleiten. Auch die - etwa durch Max Weber zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbreitete - Ansicht, die rigorosen Moralvorschriften Calvins hätten zu jenem "protestantischen Ethos" geführt, auf dem der Kapitalismus fuße, wird heute in dieser Form nicht mehr aufrechterhalten. Das Calvinjahr 2009 soll Gelegenheit bieten, sich mit diesen (Vor-)Urteilen auseinanderzusetzen ( www.calvin09.org).

Theologisch zeichneten sich Calvins Lehren durch eine noch radikalere Abkehr von katholischen Anschauungen aus, als dies bei Luther der Fall war. Das Bilderverbot ist bei den Calvinisten viel stärker ausgeprägt, ebenso die Verkündigung durch die Predigt. Auch im Abendmahlsverständnis unterscheiden sich Reformierte und Lutheraner sowie in der Leitungsfrage.

Landessuperintendent Hennefeld betont, dass es 2009 auch darum geht, die gesellschaftspolitischen Themen im Zusammenhang mit Calvin zu beleuchten. So sei er in Fragen von Demokratie und Menschenrechten ein Vorreiter gewesen. Und es gelte auch kritische Punkte zu beleuchten: So hätten Erwählungsdenken und Prädestinationslehre, welche reformierte Christen aus Calvins Verkündigung abgeleitet hätten, zum Apartheid-System in Südafrika geführt. All diesen Fragen werde man sich 2009 stellen. (ofri)

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