Carreras' Abschied von der Bühne

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Manche ziehen sich überraschend zurück. Andere zelebrieren, nicht selten jahrelang, Abschiedstourneen. José Carreras hat sich entschieden, seinen Abschied von der Bühne mit einer für ihn komponierten Oper zu begehen, die 2014 in Erl uraufgeführt wurde und mit der er dieser Tage am Theater an der Wien gastierte: "El Juez - los niños Perdidos" ("Der Richter - Die verlorenen Kinder") von Christian Kolonovits.

Eine Oper? Mehr eine musikalische Kolportage, inspiriert von Opernklängen von Puccini bis hin zu Musicalwelterfolgen von Andrew Lloyd Webber. Untadelig instrumentiert, für einen Abend aber zu eintönig und für das gewählte Sujet vor allem mit zu wenig dramatischer Verve.

Denn erinnert wird in Angelika Messners Libretto an jene Kinder, die Gegnern des spanischen Franco-Regimes brutal entrissen, in ein Kloster gebracht und dort unter Veränderung ihrer Identität umerzogen wurden. Ein trübes Kapitel in der spanischen Geschichte. Bis heute hat die katholische Kirche die Liste dieser rechtswidrig entführten Kinder nicht freigegeben.

Der Plot von Messners Erzählung: Der Richter Federico Ribas macht sich auf die Suche nach seiner eigentlichen Identität, vor allem nach seinem Bruder.

José Carreras, dessen Familie zu den Gegnern des Franco-Regimes zählte und deswegen zahlreichen Repressalien ausgesetzt war, spielt - wenn auch etwas steif - die Rolle dieses sehr nachdenklichen Richters mit spürbarem Engagement.

Einfallsloses Bühnenbild

Am Ende muss dieser Richter mitansehen, wie sein einer Entführung beschuldigter Bruder Alberto García, ein Liedermacher (angestrengt José Luis Sola), vor seinen Augen erschossen wird. Souverän und berührend nutzt er die vokalen Möglichkeiten seines Parts. Er übertrumpft damit die meistens nur sehr durchschnittlichen Protagonisten, welchen die Regie (Emilio Sagi) kaum individuelles Profil gönnt.

Nicht gerade von Einfallsreichtum, gar von spezifischer Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten der Drehbühne des Theaters an der Wien zeugte auch das von Daniel Bianco entworfene Bühnenbild dieser Koproduktion mit dem Teatro Arriaga Bilbao und Kupfer Kultur & Media: ein die Bewegungsmöglichkeiten der Darsteller nicht gerade fördernder, in die Höhe ragender, in dunkles Licht getauchter Käfig, der zuweilen Einblick in das Innenleben eines Klosters und der Privatsphäre von Richter Ribas gibt.

Routiniert, dynamisch wenig differenziert musizierte das ORF Radio-Symphonieorchester Wien unter Theater an der Wien-Debütant David Gimenéz. Untadelig der Arnold Schoenberg Chor. Für ein großes Finale entschieden zu wenig.

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