Chapeau dem Referenten des Wiener Welt-Salons

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Werner Schneyder war ein Großer. Nicht nur quantitativ, worauf es nicht ankommt, sondern qualitativ, worauf es ankommt. Er war ein Großer sozusagen im bösen Guten und guten Bösen. In der Helle seines Blickes und der Schärfe seines Bisses. Er zeigte, was er mochte und wen er nicht mochte: durch und durch authentisch verdichtend. Werner Schneyder, der in der Steiermark Geborene und in Kärnten wie in Wien Lebende, war Kabarettist, aber nicht Comedian. Seine tief musikalischen Texte dienten hoher philosophischer Rede. Was Comedians äußerten, erinnerte er als Geschwätz. Werner Schneyder war Künstler in Wort und Ton, Sprecher und Sänger, Essayist und Komponist, vor allem und nicht zuletzt aber auch Regisseur. Sein Buch "Meiningen" gehört zum Besten, was jemals über die intellektuelle Inszenierung von "Ein weites Land" geschrieben wurde, und ist zugleich eine Abrechnung mit dumpfem und seichtem Regietheater. Den Vergleich mit Karl Kraus lehnte er nicht ab. Beide verband die spitze Zunge und Feder, jeweiligen Raum zu zeitigen. Dass die Psychoanalyse die Krankheit sei, für deren Heilung sie sich hielt, zitierte Werner Schneyder immer wieder dann gern, wenn Gerichtspsychiater Ferndiagnosen im Rundfunk stellten. Kurt Tucholsky mochte er und sah in dessen Vielfalt in Einheit ein Vorbild. Thomas Bernhard mochte er nicht und sah in dessen Werk einen Wegbereiter antiintellektuell aufgeladenen Geplappers, das mangels Substanz heutigen Populisten den Weg ebnete. Werner Schneyder war ein ungläubiger Gläubiger ohne den Pass einer Kirche der Christen oder Maurer. Er war wirklich Freigeist. Als solcher nahm er Verantwortung wahr, wenn er sich über die eine wie die andere Kirche ereiferte: über die eine eher auf der Bühne, über die andere lieber im Café oder Wirtshaus. Das "Engländer" oder der "Stadtwirt", wo er ein-und auskehrte, haben mit Werner Schneyder einen wunderbaren Stammgast verloren. Aber: "Über allen Möglichkeiten der Katastrophe schwebt die Konversation." Just im Fasching, dem "rechten Kabarett", ist der "Linke ohne Heimat" plötzlich verstorben. Es beginnt die Fastenzeit. Ad multos annos sub specie aeternitatis, Werner Schneyder, wo und wann auch immer, und Chapeau dem Referenten des Wiener Welt-Salons im Himmel.

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