Charisma in der Politik

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In diesem Sommer, am Rande der "Obamania" in Europa, diskutiert man wieder darüber, warum unsere Politiker nicht solche Anziehungskraft wie Barack Obama besitzen. In diesem Zusammenhang kommt auch die Rolle des Charismas ins Spiel. Eigentlich sollten wir nach den schrecklichen Erfahrungen mit totalitären Systemen kein Charisma mehr brauchen: Es hat etwas Gefährliches, Irrationales. Trotzdem sieht man, wie sehr Menschen mit einer Vision, mit Persönlichkeit und menschlicher Wärme immer noch gefragt sind.

Charisma pur konnte ich bei Johannes Paul II. und Kardinal König spüren. Eine große Kraft, die ausstrahlte. In der Politik habe ich selten Vergleichbares erlebt. Die Mechanismen der Demokratie bringen eher die Menschen nach vorne, die sich nicht besonders von uns allen unterscheiden. Dennoch bleibt die Sehnsucht nach großen Persönlichkeiten.

Für Polen kann ich drei Menschen nennen, die unsere Geschichte mit ihrem Charisma geprägt haben: Lech Walesa, Tadeusz Mazowiecki und Bronislaw Geremek, den wir vor kurzem zu Grabe tragen mussten. Geremek und Walesa sind zu verschiedenen Zeiten Freunde und Rivalen gewesen, aber die Freiheit des Landes, das Gemeinwohl war immer das Wichtigste. Eine Momentaufnahme aus der Vergangenheit: Nach einem großen Konflikt und einem stürmischen Wahlkampf verbringt Walesa seine ersten Tage im Präsidentenpalais. Frau Geremek bekommt einen Anruf - Walesa fragt vorsichtig: "Glauben Sie, dass er noch mit mir sprechen wird?" Die Antwort: "Ich weiß es nicht, versuchen Sie es einmal". Dann rief Walesa Geremek direkt an und bat ihn: "Kommen Sie doch, und vergessen Sie alles, was nicht in Ordnung war. Es gibt so viel Arbeit, was soll ich ohne Sie tun?"

Die Autorin war von 2000 bis 2004 polnische Botschafterin in Österreich.

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